Catriona
Frost und mit klappernden Zähnen, gewann ich genügend Selbstbeherrschung zurück, um ein wenig nachdenken zu können. Der Anblick dieser armen Kleider und Bänder, ihrer Hemden und geflickten Strümpfe war unerträglich. Und doch – wollte ich nur einen Teil meines Seelenfriedens zurückgewinnen, dann mußte ich mich noch vor Morgengrauen ihrer entledigen. Mein erster Gedanke war, Feuer zu machen und sie zu verbrennen; aber einmal war mir Verschwendung von jeher verhaßt, und dann schien es mir fast grausam, diese Sachen, die sie so dicht an ihrem Körper getragen, zu vernichten. In jenem Zimmer befand sich noch ein Eckschrank; dort beschloß ich, die Kleider aufzubewahren. Das tat ich denn auch mit gebührender Langsamkeit; mit gar geringem Geschick, aber mit um so größerer Sorgfalt faltete ich die einzelnen Gegenstände zusammen; ja, mitunter entglitten sie mir wieder samt meinen Tränen. All mein Mut hatte mich verlassen, ich war müde, wie nach einem zehn Meilen langen Lauf, und an allen Gliedern wund, als hätte man mich geschlagen. Da bemerkte ich, als ich ein Halstuch, das sie viel getragen, zusammenlegen wollte, daß die eine Ecke säuberlich abgeschnitten war. Das Tuch war von wunderschöner Farbe, und ich hatte es oft an ihr bewundert; ich erinnerte mich: einmal, als es sie schmückte, hatte ich im Scherz gesagt, jetzt trüge sie meine Farben. Eine warme Welle von Hoffnung durchströmte gleich einer süßen Flut mein Herz; im nächsten Augenblick versank ich von neuem in Verzweiflung. Dort für sich in einer anderen Ecke des Zimmers lag zusammengeknüllt der fehlende Zipfel.
Als ich noch innerlich mit mir stritt, wurde ich wieder hoffnungsfroher. Sie hatte jenen Zipfel in kindischer, aber zärtlicher Laune abgeschnitten; daß sie ihn wieder weggeworfen, war nicht so sehr verwunderlich; ich war daher eher geneigt, bei der ersten denn bei der zweiten Tatsache zu verweilen und freute mich mehr, daß ihr wenigstens der Gedanke, ein Andenken zu bewahren, gekommen war, als daß ich mich sorgte, weil sie es in einem Augenblick begreiflichen Zorns fortgeworfen hatte.
Wir treffen uns in Dünkirchen
Alles in Allem war ich am folgenden Tage doch nicht so unglücklich, daß ich nicht auch hoffnungsfrohe und glückliche Minuten erlebte; ich warf mich mit ziemlichem Eifer auf meine Studien und beschloß, auszuharren, bis Alan käme oder bis ich durch James More Nachricht von Catriona erhielt. Ich empfing im ganzen drei Briefe in dieser Zeit unserer Trennung. Der eine kündete ihre Ankunft in der Stadt Dünkirchen in Frankreich an, von wo aus James More bald darauf in privater Mission allein weiterreiste. Sein Auftrag führte ihn nach England zu Lord Holderneß, und mir ist es von jeher ein bitterer Gedanke gewesen, daß mein gutes Geld mitwirkte, die Kosten hierfür zu bestreiten. Aber wer mit dem Teufel oder James More zur Nacht speiste, der bedurfte eines gar langen Löffels. In seine Abwesenheit fiel der Termin für einen zweiten Brief, und da diese Nachrichten eine Vorbedingung der Rente waren, hatte er sie sorgsam vorbereitet und Catriona zur Weiterbeförderung hinterlassen. Allein unsere Korrespondenz erregte ihren Argwohn; kaum war er fort, da erbrach sie das Siegel. Das Schreiben, das ich erhielt, begann daher in der Handschrift James Mores:
»Sehr geehrter Herr, Eure geschätzte Sendung traf pünktlich ein, und ich beeile mich, die Einlage laut Vereinbarung zu bestätigen. Es soll alles getreulich auf meine Tochter verwendet werden, die sich wohlauf befindet und ihrem teuren Freunde ihre Grüße schickt. Sie befindet sich zur Zeit in etwas melancholischer Verfassung, aber ich vertraue auf Gottes Gnade, sie bald wiederhergestellt zu sehen. Unser Leben ist sehr einsam; wir trösten uns indes mit den melancholischen Weisen unserer heimatlichen Berge sowie durch häufiges Wandeln an der Küste jener See, die Schottland zunächst gelegen ist. Das waren bessere Tage, als ich noch mit fünf Wunden am Leibe auf dem Feld von Gladsmuir lag. Beschäftigung habe ich gefunden in dem Gestüt eines französischen Edelmanns, wo meine Erfahrungen geschätzt werden. Aber, verehrter Sir, die Entlohnung ist so überaus unangemessen, daß ich mich schämen müßte, sie zu nennen, wodurch Eure Rimessen für meiner Tochter Bequemlichkeit um so notwendiger werden, obzwar der Anblick alter Freunde noch wohltuender wirken dürfte.
Ich verbleibe, mein teurer Sir, Euer anhänglicher, gehorsamer Diener, James MacGregor
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