Caylebs Plan - 6
die Charisianer anging, gern pflegte, passten ihm wie angegossen. Er war gierig, ein Intrigant und gänzlich desinteressiert am Wohlergehen all der Menschen, die für ihn arbeiteten. Er gehörte zu den Manufakturbesitzern, die am lautesten gegen die neuen Gesetze gegen Kinderarbeit protestiert hatten. Sharleyan wusste auch, dass sowohl Ehdwyrd Howsmyn als auch Rhaiyan Mychail ihn nicht nur von Herzen verabscheuten, sondern sich nicht einmal darum sorgten, dass das jemand erfuhr. Nach Sharleyans bisherigen Kenntnissen beruhte diese Abneigung auf Gegenseitigkeit. Dazu kam noch, dass Kairee den beiden Vertrauten des Kaisers zutiefst verübelte, noch ungleich wohlhabender zu sein als er.
Das hätte schon genügt, um Sharleyan den Mann unsympathisch finden zu lassen. Sie aber verabscheute in regelrecht, und das mit Grund. Zwar hatte er sich in jüngster Zeit mit seiner üblicherweise beißenden Kritik deutlich zurückgehalten. Aber an sich machte er keinen Hehl daraus, wie sehr er die Entscheidung missbilligte, die Rechtmäßigkeit des Herrschaftsanspruchs der ›Vierer-Gruppe‹ zurückzuweisen. Aber seine Hingabe der Kirche gegenüber war in Sharleyans Augen nichts als Schau. Zugegeben: Niemand konnte die Tatsache bestreiten, dass er der Kirche stets großzügige Spenden zukommen ließ. Aber wer in Lohn und Brot bei ihm stand und ihm deshalb ausgeliefert war, wusste eines nur allzu gut: Nicht einmal ansatzweise befolgte Kairee das Gebot der Bruderliebe, auf das die Heilige Schrift so großen Wert legte. Seine Lebensführung zeichnete sich auch nicht durch besondere Rechtschaffenheit aus. Sharleyan war sogar der Ansicht, Kairee wäre ein perfekter Kandidat für die ›Vierer-Gruppe‹. Seine ›Spenden‹ an die Kirche waren ebenso wie sein Lippenbekenntnis zu den Lehren Gottes doch nichts anderes als der Versuch, Gott zu bestechen: Mit ernsthafter, aus tiefstem Herzen empfundener Frömmigkeit hatte das nicht das Geringste zu tun. Die Kirche von Charis war für Kairee daher nichts anderes als eine Bedrohung des Schwindels, den er sein ganzes Leben lang an Gott und den Erzengeln zu verüben versuchte.
Sharley, Sharley, vielleicht bist du ihm gegenüber ja doch etwas strenger, als er verdient hat!, ermahnte sie sich selbst.
Ja, vielleicht, kam die Antwort aus einem anderen Winkel ihres Herzens. Vielleicht aber auch nicht.
So sehr Kairee auch versuchte, seine widerständige Haltung dem Schisma gegenüber zu kaschieren, war er für alle offenkundig kein Anhänger der Kirche von Charis - auch wenn er sich einen Teil der Reformationen, die diese gerade durchlief, zu eigen gemacht hatte. Sein Herz schlug dabei aber, da war sich Sharleyan sicher, für etwas anderes: Der Krieg gegen die Kirche des Verheißenen verschaffte Kairee reichlich Aufträge. Er verdiente am Schisma einfach zu viel Geld, um glaubenstreu zu bleiben. Wie hätte er auch zulassen können, dass all das schöne Geld in die Taschen anderer floss!
Kairees Scheinheiligkeit und Gier waren für Sharleyan Grund genug, ihm gegenüber Vorbehalte zu hegen. Doch das war noch nicht alles: Sharleyans Onkel, Herzog Halbrook Hollow, gehörte zu den in etwa zwanzig wohlhabendsten Männern im Königreich Chisholm. Kairee hatte die letzten Monate damit verbracht, den Herzog dazu zu bewegen, sein Geld in die verschiedenartigsten Unternehmen in Charis zu investieren - die natürlich allesamt Kairee gehörten. Sharleyans Arger galt nicht dem Umstand, dass ihr Onkel Geld in Charis investieren sollte und wollte. Aber wenn er schon jemandem hier sein Geld gab, warum konnte es dann nicht wenigstens jemand wie Howsmyn oder Mychail sein? Jemand, der wenigstens ein Mindestmaß an Prinzipien besaß?
Kairee spekuliert auf Onkel Byrtryms Prinzipien, dachte sie abschätzig. Er weiß, wie unglücklich mein Onkel wegen meiner Entscheidungen ist. Also nutzt er seinen Ruf als treuer Anhänger der Kirche des Verheißenen, um Onkel Byrtrym dazu zu bewegen, ihm Geld in die Taschen zu spülen! Und mein lieber, guter Onkel Byrtrym ist allen Ernstes davon überzeugt, Kairee sei sein Freund - einer der wenigen Freunde, die er hier in Charis hat! Das Letzte aber, was ich gebrauchen kann, ist ein Onkel, dessen Treue der Kirche von Charis gegenüber ohnehin schon mehr als zweifelhaft ist und der dann auch noch vor aller Augen Umgang mit jemanden von Kairees Kaliber pflegt!
Kurz schloss Sharleyan die Augen und schalt sich innerlich erneut. Sie konnte ihrem Onkel kaum verargen, dass er sich mit der
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