Caylebs Plan - 6
weniger als vierzig, denke ich. In ein paar Minuten weiß ich mehr; wir kommen gerade erst an und müssen uns noch organisieren.«
Kurz blickten die beiden Männer einander in die Augen. Sie hatten damit gerechnet, Verluste hinnehmen zu müssen. Sie und ihre Männer waren durchaus bereit, jeden Preis zu zahlen, der hier von ihnen gefordert wurde. Doch derart schwere Verluste waren mehr als nur schmerzhaft.
»Bald kommt Mytrahn mit seinen Leuten«, sagte Abylyn.
»Zu warten gefällt mir nicht! Das gibt denen da drinnen bloß Zeit, sich richtig vorzubereiten«, wandte Lahrak ein.
»Mir gefällt es auch nicht. Aber wir haben schon fast so viele Männer verloren wie die. Wenn wir über die Mauer gehen müssen, dann möchte ich genug von unseren Leuten auf dem Gelände wissen, um sicher zu sein, dass wir die Gegenseite dazu zwingen, sich zu weit aufzuteilen. Dann können sie uns nicht mehr aufhalten. Und wir werden auch alle Schwerter brauchen, die wir haben können, wenn wir erst einmal auf der anderen Seite sind.«
Lahraks Miene wirkte säuerlich, doch er stieß in unzufriedener Zustimmung einen Grunzlaut aus.
»Also, wenn wir schon warten müssen«, sagte er, »sollten wir unsere Leute jetzt gleich neu organisieren.«
Edwyrd Seahamper zählte die Männer durch, während sturzbachartiger Regen auf das Klostergelände niederprasselte. Er hatte einen Boten zur Äbtissin geschickt, damit sie sämtliche Schwestern in der Kapelle versammelte. So wären die Nonnen wenigstens in Sicherheit. Seahamper wünschte, er hätte den ehrwürdigen Schwestern mehr anbieten können, um für ihre Sicherheit zu garantieren. Er hatte indes zu wenig Männer, um daran auch nur denken zu dürfen.
»Ich komme auf dreizehn, dazu die beiden Verwundeten«, sagte er schließlich zu Bryndyn Tyrnyr, der mittlerweile vom Haupttor zurückgekehrt war.
»Dazu noch die zehn, die zum Lieutenant gehören«, stimmte ihm Tyrnyr zu.
»Also sechsundzwanzig.«
»Fünfundzwanzig«, verbesserte Tyrnyr ihn tonlos. »Zhorj wird es nicht schaffen. Er hustet schon Blut.«
Leise fluchte Seahamper. Sergeant Zhorj Symyn war der aus Charis stammende Gardist, der das Kommando über den Vorposten am Westtor innegehabt hatte. Symyn war ein guter Mann: Er hatte lange genug die Stellung halten können, um die Überlebenden aus seiner Abordnung zum Gästehaus zu bringen. Und es war ihm gelungen, dem Feind nicht eines der charisianischen Gewehre zu überlassen. Und doch durfte Seahamper nicht darüber nachdenken, dass er einen weiteren guten Mann verlor. Er konnte sich nicht einmal die Zeit nehmen, sich von einem Mann zu verabschieden, der ihm ein guter Freund geworden war.
»Fünfundzwanzig also«, sagte er mit belegter Stimme, und die beiden Gardisten blickten einander grimmig an. Das war weniger als ein Drittel ihrer ursprünglichen Truppenstärke. Illusionen über den Verbleib der anderen Männer machten sie sich nicht.
»Ich glaube, wir brauchen den Lieutenant hier«, sagte Seahamper. »Warum gehen Sie nicht rüber und ...«
»Warum bleiben Sie nicht stattdessen einfach hier?«, fiel ihm eine andere Stimme ins Wort. Als Seahamper sich umblickte, sah er vor sich Lieutenant Hahskyn. Der Regen strömte ihm über den Rand des Offiziershelms. Die anderen Gardisten, die ihn begleiteten, waren ebenso durchnässt wie er. Seahamper aber war dieser Anblick willkommener als jeder andere.
»Gut Sie zu sehen, Lieutenant!«, begrüßte er Hahskyn mit lobenswerter Zurückhaltung. Der Lieutenant gestattete sich ein grimmiges Lächeln.
»Sergeant, wenn irgendetwas an unserer aktuellen Lage gut ist, müssen wir uns dringend mal unterhalten«, erwiderte der Charisianer.
»Ich meinte ›relativ gut‹, Sir.«
»Na, das ist natürlich etwas anderes!« Ein breites Grinsen erhellte für einen kurzen Moment Hahskyns Gesicht. »Wo ist Ihre Majestät?«
»Im Haus.« Mit dem Kinn deutete Seahamper zum kleinen Gästehaus hinüber.
»Sie weiß, was los ist?«
»So gut wie jeder von uns hier, Sir.«
»Das Ganze ist gar nicht gut, Edwyrd«, meinte Hahskyn deutlich leiser; im Rauschen von Wind und Regen erreichte seine Stimme den Sergeant kaum. »Ich glaube nicht, dass die aufgegeben haben, bloß weil wir denen an den Toren ein paar blutige Nasen verpassen konnten. Ich gehe davon aus, dass die sich umorganisieren. Vielleicht planen sie auch den Angriff neu. Aber die drehen sich sicher nicht einfach um und marschieren davon. Nicht, wenn wir denen nicht deutlich mehr verpassen, als
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