Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Menschen in Sicht. Als ich Berlin Ende Mai passierte, schien der Tiergarten, speziell hier herum, aus lauter roten Kopftüchern und blauweißen Kinderwagen zu bestehen, und wenn erst die Mittagssonne wieder brennt, werden auch die roten Kopftücher wieder dasein. Und vielleicht auch die zugehörige Soldateska. Bis dahin muß ich mich mit dem Schlangenungetüm begnügen, das da, zehn Ellen lang, im Grase liegt. Ah, jetzt blitzt der Strahl über den Rasen hin.«
    Er sah noch eine Weile dem Spritzen zu, freute sich, wie sich das Sonnenlicht in den Tropfen brach, und gab dann seinen Fensterplatz wieder auf, um endlich Ordnung zu schaffen. Rüstig ging er ans Werk und mußte lachen, als der Kleiderschrank bei jeder Berührung seiner Holzriegel quietschte. »Noch ganz die alte Zeit. So quietschten sie früher auch. Aber Berlin wird Weltstadt.«
    Und während er so sprach, flogen die Kästen auf und zu, bis, nach Ablauf einer Stunde, nicht bloß die Stiefel aller Arten und Grade blank aufmarschiert in einer Ecke standen, sondern auch die Bürsten und sonstigen Reinigungsapparate des zivilisierten Menschen ihren richtigen Platz gefunden hatten.
    Er ruhte sich einen Augenblick und machte dann Toilette.
    »Wohin? Alte Freunde besuchen, die vielleicht keine mehr sind? Immer mißlich. Also neue, das heißt mit andern Worten die St. Arnauds. Denn andre hab ich nicht. Aber sind sie da? Daß ich sie vor acht Tagen auf der langweiligen Insel nicht finden konnte, beweist nicht, daß sie zurück sein müssen. Sie können sich, statt für Norderney, mindestens ebensogut für Helgoland oder Scheveningen entschieden haben. Eins ist wie das andre. Aber mit oder ohne Chance, jedenfalls kann ich einen Versuch machen.«
    Und er nahm Hut und Stock, um in der St. Arnaudschen Wohnung vorzusprechen.
     
    Diese war auf dem Hafenplatze, so daß der einzuschlagende Weg erst durch ein Stück Königgrätzer Straße, demnächst aber über den Potsdamer Platz führte, der auch heute wieder wegen Kanalisation und Herstellung eines Inselperrons unpassierbar war. Wenigstens in seiner Mitte. So mußte Gordon denn an der Peripherie hin sein Heil versuchen, was ihn freilich nur in neue Wirrnisse brachte. Denn es war gerade Markt heute, der, wie gewöhnlich an dieser Stelle, zwischen Straßendamm und Häuserfront abgehalten wurde. Hier saßen die Marktfrauen in einer Art Defilee »gekeilt in drangvoll fürchterliche Enge«, durch welche Gordon nun hindurch mußte. Wirklich, das war nichts Leichtes, aber so schwer es war, so vergnüglich war es auch, und auf die Gefahr hin, überrannt zu werden, blieb er stehen und musterte die Szenerie. Weit hin standen die Himbeer-Tienen am Trottoir entlang, nur unterbrochen durch hohe, kiepenartige Körbe, daraus die Besinge, blauschwarz und zum Zeichen ihrer Frische noch mit einem Anfluge von Flaum, hervorlugten. In Front aber, und zwar als besondere Prachtstücke, prangten unförmige verspätete Riesenerdbeeren auf Schachtel- und Kistendeckeln, und dazwischen lagen Kornblumen und Mohn in ganzen Bündeln, auch Goldlack und Vergißmeinnicht, samt langen Bastfäden, um, wenn es gewünscht werden sollte, die Blumen in einen Strauß zusammenzubinden. Alles primitiv, aber entzückend in seiner Heiterkeit und Farbe. Gordon war ganz hingenommen davon, und erst als er sich satt gesehen und ein paar kräftige Atemzüge getan hatte, ging er weiter, um, an der Köthner-Straßen-Ecke rechts einbiegend, auf den Hafenplatz zuzuschreiten.
    »Sie werden in dem Diebitschschen Hause wohnen. Etwas Alhambra, das paßt ganz zu meiner schönen Cécile. Wahrhaftig, sie hat die Mandelaugen und den tief melancholischen Niederschlag irgendeiner Zoë oder Zuleika. Nur der Oberst, bei allem Respekt vor ihm, stammt nicht von den Abenceragen ab, am wenigsten ist er der poetische Letzte von ihnen. Wenn ich ihn à tout prix in jenen maurischen Gegenden unterbringen soll, so ist er entweder Abdel-Kader in Person oder ein Riffpirat von der marokkanischen Küste.«
    Während er noch so vor sich hin plauderte, stand er vor dem St. Arnaudschen Hause, das aber, wie die Nummer jetzt auswies, nicht das Haus mit der Alhambrakuppel, sondern ein benachbartes von kaum minderer Eleganz war, wie gleich sein Eintritt ihm zeigen sollte. Die Stufen waren mit Teppich, das Gelände mit Plüsch belegt, während die buntbemalten Flurfenster ein mattes Licht gaben. Eine Treppe hoch angekommen, las er: »Oberst v. St. Arnaud.«
    Er klingelte. Niemand aber kam.
    »Also noch

Weitere Kostenlose Bücher