Celaenas Geschichte 02 - Throne of Glass
bringen sie nicht um?«, fragte Celaena ebenfalls flüsternd. Sie wog die Waffe in der Hand. Der Bogen der Schweigenden Assassinen war anders – kürzer, dicker und schwerer zu spannen.
Ansel schüttelte den Kopf, ohne Ilias aus dem Auge zu lassen, und fügte beiläufig hinzu: »Nein, obwohl ich das am liebsten tun würde.« Erklärend ergänzte sie: »Wir müssen sie nur verjagen, wir wollen keinen offenen Krieg mit Lord Berick anfangen. Mikhail und Ilias haben letzte Woche den Wall da aufgebaut; die Linie im Sand ist ein Seil, das mit Öl durchtränkt ist.«
Celaena begriff, was sie vorhatten, und folgte dem Verlauf des Walls mit dem Blick. »Das wird eine lange Feuerwand«, sagte sie und tauchte ihren Pfeil in das Schüsselchen mit Öl, bis der Stoff sich vollgesogen hatte
»Du wirst noch staunen. Das Seil geht um die ganze Festung herum.« Als Ansel sich aufrichtete, sah Celaena gerade noch aus den Augenwinkeln Ilias’ schneidende Armbewegung.
Augenblicklich waren sie aufgesprungen. Ansel riss, bevor Celaena es tun konnte, die nächste Fackel aus der Halterung und war blitzschnell wieder an der Zinne.
Als Celaena ihren Pfeil in die Flamme hielt, wurde es heiß an ihren Fingern und beinahe hätte sie ihren Bogen fallen lassen. Lord Bericks Männer begannen zu schreien und in das Prasseln der brennenden Pfeile mischte sich das Sirren der von den Soldaten abgefeuerten Munition.
Aber da drückte sich Celaena schon zwischen zwei Zinnen, zogden brennenden Pfeil zu sich heran, stöhnte auf, als er ihr die Fingerkuppen versengte, und schoss.
Wie eine Welle aus Sternschnuppen schnellten die Pfeile der Assassinen hoch und immer höher, ehe sie wieder nach unten fielen. Das Auflodern des Feuerrings zwischen den Soldaten und der Festung bekam Celaena jedoch nicht zu sehen, da sie sich, die Arme schützend über den Kopf gelegt, hinter die Zinne ducken musste. Ansel tat neben ihr dasselbe.
Grelles Licht zerriss die Dunkelheit und das Auflodern der Flammenwand übertönte das Brüllen von Lord Bericks Männern. Vom Himmel regnete es schwarze Pfeile, die größtenteils an den Zinnen abprallten; nur von zwei oder drei Assassinen war ein unterdrücktes Stöhnen zu hören. Celaena duckte sich noch tiefer und hielt die Luft an, bis der letzte feindliche Pfeil angekommen war.
Als da nichts mehr war als das leise Klagen der verletzten Assassinen und das Prasseln der Feuerwand, riskierte Celaena einen Blick auf Ansel. Das Mädchen hatte leuchtende Augen. »Na«, flüsterte Ansel, »hat das nicht Spaß gemacht?«
Celaena grinste, obwohl ihr Puls raste. »Ja.« Sie drehte sich um und sah Lord Bericks Männern nach, wie sie durch die Dünen flohen. »Ja, hat es.«
Als Celaena und Ansel wieder in ihrem Zimmer waren, klopfte es kurz vor Sonnenaufgang leise. Ansel sprang sofort aus dem Bett und öffnete die Tür einen Spaltbreit, durch den Celaena Mikhail erspähen konnte. Er überreichte Ansel eine versiegelte Schriftrolle: »Du sollst heute nach Xandria reisen und ihm das hier geben.« Celaena bemerkte, wie sich Ansels Schultern anspannten. »Befehl des Meisters«, fügte Mikhail hinzu.
Ansel nickte. Obwohl Celaena ihr Gesicht dabei nicht sehen konnte, hätte sie schwören können, dass Mikhail ihre Wange berührte,bevor er sich abwandte. Ansel schloss die Tür mit einem tiefen Seufzer. In der zunehmenden Morgendämmerung beobachtete Celaena, wie Ansel sich den Schlaf aus den Augen rieb. »Magst du mitkommen?«
Celaena stützte sich auf die Ellbogen. »Ist Xandria nicht zwei Tagesreisen von hier entfernt?«
»Ja. Zwei Tage durch die Wüste, nur mit meiner Wenigkeit als Gesellschaft. Außer du bleibst lieber hier, rennst jeden Tag zehn Kilometer und wartest wie ein Hund, dass der Meister Notiz von dir nimmt. Wenn du mitkommst, zieht er vielleicht eher in Erwägung, dich zu trainieren. Er wird dein Engagement für unsere Sicherheit bestimmt zu schätzen wissen.« Auffordernd ließ Ansel ihre Augenbrauen auf und ab tanzen, sodass Celaena die Augen verdrehte.
Eigentlich klang das ziemlich vernünftig. Wie konnte sie ihr Engagement besser beweisen, als wenn sie vier Tage ihrer kostbaren Zeit opferte, um den Schweigenden Assassinen zu helfen? Ja, es war riskant, aber … vielleicht auch mutig genug, damit der Meister auf sie aufmerksam wurde. »Und was machen wir in Xandria?«
»Das darfst du selbst herausfinden.«
Ansels Augen funkelten verschmitzt. Was würde da bloß auf sie zukommen?
5
C elaena lag auf ihrem Umhang und
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