Celaenas Geschichte 4 - Throne of Glass
herumdrückten.
Eigentlich war es absurd, dass Jayne sein Haus an dieser Straße hatte. Seine Nachbarn waren wohlhabende Kaufleute und Angehörige des Niederadels. Wussten sie, wer nebenan wohnte und wie viel Böses sich unter dem smaragdgrünen Dach abspielte?
Als Celaena und Sam am Haus vorbeischlenderten – wobei sie für alle Welt wie ein gut angezogenes, attraktives Paar auf einem Morgenspaziergang durch die Hauptstadt aussahen –, hatten sie Glück. Gerade kam Farran, Jaynes Stellvertreter, aus der Tür und stolzierte auf die schwarze Kutsche zu, die auf ihn wartete.
Celaena spürte, wie sich Sams Arm unter ihrer Hand anspannte. Er blickte weiter geradeaus, wagte es wegen möglicher Spione nicht, Farran lange zu beobachten. Doch Celaena tat, als hätte sie ein kleines Loch in ihrer waldgrünen Tunika entdeckt, und schaffte es, mehrmals hinzusehen.
Sie hatte von Farran gehört. Fast jeder hatte das. Wenn ihr jemand in Sachen Berüchtigtsein Konkurrenz machte, dann er.
Der große, breitschultrige Mann Ende zwanzig war in den Straßen von Rifthold geboren und ausgesetzt worden und hatte bereits als Kind für Jayne spioniert. In dessen verquerem Hofstaat hatte er sich über die Jahre nach oben gearbeitet und dabei eine Spur aus Leichen auf seinem Weg hinterlassen, bis er zu Jaynes Stellvertreter ernannt wurde. Wenn man ihn jetzt so ansah, mit seinen feinen grauen Kleidern und mit seinem glänzenden, artig an den Kopf geklatschten schwarzen Haar, wäre man nie auf die Idee gekommen, dass er einmal eines der bösen kleinen Biester gewesen war, die in wilden Rudeln durch das Armenviertel streunten.
Während Farran die Treppe zur Kutsche hinunterstieg, die in der privaten Zufahrt auf ihn wartete, waren seine Schritte geschmeidig, vorbedacht – sein Körper strotzte vor gerade noch gezügelter Kraft. Selbst von der anderen Straßenseite konnte Celaena erkennen, dass seine dunklen Augen strahlten und sein blasses Gesicht zu einem Lächeln verzogen war, bei dem es ihr kalt über den Rücken lief.
Sie wusste, dass die Leichen, die Farrans Weg pflasterten, nie vollständig gewesen waren. In den Jahren, in denen er vom Waisenjungen zu Jaynes Stellvertreter aufstieg, hatte er irgendwann seine Vorliebe für sadistische Foltermethoden entdeckt. Das hatte ihm den Platz an Jaynes Seite eingebracht – und hielt seine Rivalen davon ab, ihn herauszufordern.
Farran schwang sich so leicht und unangestrengt in die Kutsche, dass sein maßgeschneiderter Anzug sich kaum bewegte. Sogleich rollte das Gefährt die Zufahrt hinunter und bog in die Straße ein. Als es vorbeizuckelte, hob Celaena den Kopf.
Nur um festzustellen, dass Farran aus dem Fenster sah – und sie anstarrte.
Sam tat, als würde er nichts merken. Celaena setzte ein völlig ausdrucksloses Gesicht auf – das Desinteresse einer wohlerzogenen Dame, die keine Ahnung hatte, dass derjenige, der sie beobachtetewie eine Katze eine Maus, in Wirklichkeit einer der bösartigsten Männer im ganzen Reich war.
Farran warf ihr ein Lächeln zu, an dem nichts Menschliches war.
Genau deshalb hatte ihr Auftraggeber für Farrans und Jaynes Tod so eine gewaltige Summe geboten.
In einer sittsamen Erwiderung seiner Aufmerksamkeit nickte Celaena kurz, woraufhin Farrans Lächeln nur noch breiter wurde, bevor seine Kutsche an ihr vorbeirollte und von den Straßen der Stadt verschluckt wurde.
Sam atmete auf. »Ich bin froh, dass wir ihn zuerst beseitigen.«
Ein finsterer, böser Teil von Celaena wünschte sich das Gegenteil … wollte dieses katzenhafte Lächeln ersterben sehen, wenn Farran erfuhr, dass Jayne von Celaena Sardothien getötet worden war. Doch Sam hatte recht. Wenn sie Jayne als Ersten umbrachten, hätten sie keine ruhige Minute mehr, denn Farran würde alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zu schnappen.
Sie gingen langsam durch die Straßen, im großen Bogen um Jaynes Haus herum.
»Am besten kommen wir an Farran heran, wenn er irgendwohin unterwegs ist«, sagte Celaena, der bewusst war, wie viele Augenpaare in diesen Straßen auf sie gerichtet waren. »Dieses Haus ist zu gut bewacht.«
»In zwei Tagen kann ich dir wahrscheinlich mehr dazu sagen«, erwiderte Sam.
» Du kannst?«
»Ich dachte, für Jaynes Tod willst du den Ruhm einheimsen. Dann übernehme ich Farran.«
»Warum arbeiten wir nicht zusammen?«
Sams Lächeln verblasste. »Weil ich möchte, dass du bei dieser Sache so lange wie möglich außen vor bleibst.«
»Nur weil wir zusammen sind, heißt das
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