Celaenas Geschichte 4 - Throne of Glass
nicht, dass ich zu einem jämmerlichen Waschlappen geworden bin.«
»Das sage ich ja gar nicht. Aber willst du mir vorwerfen, dass ich das Mädchen, das ich liebe, von jemandem wie Farran fernhalten will? Und bevor du jetzt deine Glanzleistungen herunterratterst – ich weiß sehr wohl, wie viele Leute du umgebracht hast und aus welchen brenzligen Situationen du dich befreit hast. Aber diesen Auftrag habe ich an Land gezogen, also machen wir es so, wie ich sage.«
Wären da nicht noch an jeder Ecke Spione gewesen, hätte Celaena ihn vielleicht geohrfeigt. »Wie kannst du es wagen …«
»Farran ist geisteskrank«, entgegnete Sam, ohne sie anzusehen. »Das hast du selbst gesagt. Und wenn irgendwas schiefgeht, will ich auf keinen Fall, dass du ihm in die Hände gerätst.«
»Es wäre sicherer, wenn wir zusammenarbeiten würden.«
Sams Kiefermuskeln mahlten. »Es ist nicht nötig, dass du auf mich aufpasst, Celaena.«
»Ist es wegen des Geldes? Weil ich vieles bezahle?«
»Es ist, weil ich für diesen Auftrag verantwortlich bin und weil du nicht immer bestimmen kannst, wie es läuft.«
»Dann lass mich wenigstens einen Teil des Auskundschaftens aus der Ferne für dich übernehmen«, sagte sie. Sie konnte damit leben, dass Sam Farran beseitigte – sie konnte bei diesem Auftrag eine Nebenrolle spielen. Hatte sie sich nicht gerade mit dem Gedanken angefreundet, irgendwann vielleicht nicht mehr Adarlans Assassinin zu sein? Sam sollte ruhig im Rampenlicht stehen.
»Kein Auskundschaften aus der Ferne«, erwiderte Sam scharf. »Du wirst am anderen Ende der Stadt sein, weit weg von hier.«
»Du weißt, wie lächerlich das ist, oder?«
»Ich habe genauso viel Training gehabt wie du, Celaena.«
Sie hätte hartnäckig bleiben und weiter argumentieren können, bis er nachgab, doch sie bemerkte den Anflug von Verbitterung in seinen Augen. Diese Verbitterung hatte sie seit Monaten nicht gesehen, nicht seit Skull’s Bay, als sie eigentlich noch Feinde gewesenwaren. Sam war stets gezwungen gewesen zurückzustehen, während der Ruhm ihr zufiel, und hatte immer Aufträge übernommen, für die sie sich zu gut gewesen war. Was bei all seinem Talent wirklich absurd war.
Falls man das Töten als Talent bezeichnen konnte.
Und obwohl sie für ihr Leben gern prahlte und sich Adarlans Assassinin nannte, fühlte sich diese Überheblichkeit jetzt manchmal wie Grausamkeit an.
Selbst wenn es ihr also total gegen den Strich ging und auch allem widersprach, was sie in ihrer Ausbildung gelernt hatte, stupste sie Sam mit der Schulter an und sagte: »Okay. Du bringst Farran allein um. Aber Jayne überlässt du mir – und ihn erledigen wir auf meine Weise.«
Celaena hatte ihre wöchentliche Ballettstunde bei Madame Florine, die auch alle Tänzer am Königlichen Theater trainierte, deshalb überließ sie das weitere Auskundschaften Sam und brach zum Privatstudio der alten Dame auf.
Vier Stunden später machte sie sich durchgeschwitzt, mit Schmerzen am ganzen Körper und völlig erschöpft auf den Nachhauseweg. Sie kannte die strenge Madame Florine, seit sie ein Kind war, denn sie brachte Arobynns sämtlichen Assassinen die neuesten Gesellschaftstänze bei. Und Celaena hatte von jeher gern Extrastunden bei ihr genommen wegen der Gelenkigkeit und Anmut, die der Ballettunterricht mit sich brachte. Eigentlich hatte sie den Verdacht gehabt, ihre wortkarge Lehrerin halte nicht viel von ihr, doch zu ihrer Überraschung weigerte sich Madame Florine, nun, da Celaena nicht mehr bei Arobynn war, Geld für den Unterricht zu nehmen.
Wenn sie wegzogen, würde sie eine neue Ballettlehrerin finden müssen. Und natürlich eine Ballettschule mit einem anständigen Klavierspieler.
Und die Stadt müsste auch eine Bibliothek haben. Eine große, wunderschöne Bibliothek. Oder einen Buchladen mit einem sachkundigen Inhaber, der sicherstellen konnte, dass ihr Hunger nach Büchern immer gestillt würde.
Und eine gute Schneiderin. Und einen Parfümeur. Und einen Juwelier. Und einen Konditor.
Während Celaena die Holztreppe zu ihrer Wohnung über dem Lagerhaus hinaufstieg, waren ihre Füße schwer wie Blei. Sie schob es auf den Unterricht. Madame Florine war eine strenge Lehrerin, die weder lasche Handführung noch eine schlampige Haltung durchgehen ließ, sondern immer Höchstleistungen forderte. Allerdings drückte sie in den letzten zwanzig Minuten ihres Unterrichts immer ein Auge zu – dann durfte Celaena dem Schüler am Klavier sagen, was er spielen
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