Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
richtig ist!“
Damit ließ Hilarius ihn stehen. Ein bisschen ausführlicher wäre nett gewesen, dachte Lucius. Eine Aufgabe für einen tatkräftigen jungen Mann. Wenn Hilarius das so betonte, verhieß das nichts Gutes.
Er durchquerte das Legionslager, wo allgemeine Aufbruchstimmung herrschte. Im Lager der helvetischen Hilfstruppen waren mehrere Pferche errichtet worden. Dort wurde das erbeutete Vieh gehalten und die Gefangenen bewacht. Der Anblick der Gefangenen stimmte Lucius fröhlich. Gefangene bedeuteten Sklaven und Sklaven bedeuteten Geld. Caesar hatte die Erlöse aus den Sklavenverkäufen an seine Männer verteilt und Lucius hoffte, dass Tiberius dies auch tun würde.
Bei den meisten Gefangenen handelte sich um junge Menschen. Einige Kinder weinten und wurden von ihren Müttern oder Geschwistern getröstet. In einiger Entfernung vom Lager sah Lucius zahlreiche Gestalten auf dem Boden liegen. Raben hatten sich dort versammelt, vom Geruch des Todes angelockt. Dies waren die Alten, Kranken und Schwachen. Sie waren zusammengetrieben und getötet worden, da sie als Sklaven nicht in Frage kamen.
Vae victis!
, dachte Lucius, und vertrieb das Gefühl von Mitleid mit den Gefangenen, das in ihm aufstieg.
Ein Centurio kam auf ihn zu. Lucius erkannte ihn. Es war Valens, der, solange Canidius krank war, die Legion als erster Speer führte. Er musterte Lucius und zog eine Augenbraue hoch: „Oh, wir werden von dem berühmten
Centurio
Marcellus beehrt.“
Lucius ignorierte den Sarkasmus und grüßte Valens.
„Nun, da hat man uns ja genau den richtigen Mann geschickt.“ Valens zeigte auf die Gefangenen und auf das Vieh. „Hier siehst du deine neue Aufgabe. Du bist ab jetzt für die Bewachung der Gefangenen und des Viehs zuständig.“
Lucius dachte zuerst, er hätte sich verhört. Dann wurde ihm klar, warum Hilarius sich gefreut hatte, ihm diese unliebsame Aufgabe zu übertragen. Ein tatkräftiger junger Mann. Nun gut, es gab Schlimmeres, als jetzt Viehhirte und Sklaventreiber zu werden.
Lucius teilte seine Männer ein. Er hatte keinerlei Erfahrung als Viehtreiber. Er wusste nur, dass man nie hinter einem Viehtrieb herlaufen sollte, wenn man nicht jede Menge Staub schlucken wollte.
Er wies diese Aufgabe kurzerhand Drusillus zu. Er sollte mit einem Contubernium das Vieh hinter ihnen hertreiben. Drusillus verzog angewidert das Gesicht. Viehtrieb war auch nicht seine Lieblingsbeschäftigung.
Celsonius würde sich um den Verwundetentransport kümmern, und er, Lucius, würde die Bewachung der Gefangenen übernehmen.
Schon nach wenigen Meilen bedauerte Lucius, dass er nicht den Viehtrieb angeführt hatte. Das Ächzen, Stöhnen und Weinen der Gefangenen ging ihm durch Mark und Bein. Er hatte sie der Reihe nach gemustert. Er sah die Gleichgültigkeit, den Trotz, die Verzweiflung und den Hass in ihren Augen. Es war schwer zu ertragen. Hin und wieder sah er verstohlen zu ihnen hinüber. Das blonde Mädchen, das in einen alten Umhang gehüllt war, erinnerte ihn an Flora aus Arausio. Sie musste im gleichen Alter sein. Plötzlich sah sie ihn an, vielleicht hatte sie seinen Blick gespürt, und Wut verzerrte ihr Gesicht. Sie schrie etwas, das er nicht verstand, und spuckte aus. Als er wieder hinsah, bemerkte er zu seiner Überraschung, dass sie auf ihn zukam und vor ihm stehen blieb. Sie hob die Arme und warf den Umhang auf den Boden. Ihre Tunica war zerrissen und hing in Fetzen an ihr herunter. Arme und Beine waren mit Prellungen und Abschürfungen übersät, ihre Beine mit Blut verschmiert. Wieder schrie sie ihm etwas zu, herausfordernd, wütend.
Ihm wurde bewusst, dass er das halbnackte Mädchen schon eine Weile mit offenem Mund anstarrte. Er spürte, wie er errötete, drehte sich hastig um und ging weiter. Das Mädchen lachte hinter ihm her. Es war ein freudloses Lachen. Ripanus trat auf sie zu, hob die Decke auf, hängte ihr sie um und wies sie an, weiterzugehen.
Lucius stapfte, den Blick stur nach vorn gerichtet, weiter. Plötzlich merkte er, wie jemand neben ihm ging. Es war Ripanus.
„Das ist das Schicksal der Frauen!“, sagte er in seinem picentischen Dialekt. „Die Männer werden im Kampf getötet, ihre Frauen gehören dem Sieger, und die Besiegten werden versklavt. So haben die Götter die Welt gemacht, das ist ihr Lauf.“
„Vae Victis!
“, erwiderte Lucius. „Wehe den Besiegten!“
Ripanus schien diesen Ausspruch nicht zu kennen.
„Livius!“, fügte Lucius hinzu. „Dieser Satz stammt von einem
Weitere Kostenlose Bücher