Cevdet und seine Soehne
essen und trinken sie und amüsieren
sich … Wenn ich einmal verheiratet bin, werde ich auch …
Ethem-Pertev-Tonikum, Krem Pertev … Wann ist denn der Doktor endlich fertig?
Sobald die Tür aufgeht, gehe ich hinein … Atkinson-Kölnisch-Wasser …
Katran-Hakkı-Ekrem-Hustensaft. Hünyadi-Yanoş-Abführmittel … Als kleiner Junge hatte ich
einmal Durchfall, dass ich schon meinte, ich müsste sterben. Das nahm aber
keiner richtig ernst. Und wenn ich tatsächlich gestorben wäre? Nein! Endlich
geht die Tür auf!«
Cevdet stürzte hinein und stieß
dabei die Frau und den Jungen an. Ohne selber daran zu glauben, sagte er: »Es
steht ganz schlimm! Beeilen Sie sich bitte, sonst stirbt er vielleicht!«
Der Arzt wusch sich in einer Ecke
die Hände. »Wer stirbt? Und wo?«
»Hier ganz in der Nähe, in einer
Pension! Gehen wir gleich hin, es ist gar nicht weit!«
»Kann der Patient nicht
hierherkommen?« fragte der Arzt. Mit einem fast unsinnig weißen Handtuch
trocknete er sich ausgiebig die Hände ab.
»Kann er nicht. Er liegt im Sterben.
Aber vielleicht stirbt er ja nicht. Es sind nur ein paar Schritte! Gehen wir am
besten gleich hin …«
»Na schön«, brummte der Arzt.
»Lassen Sie mich wenigstens meine Tasche mitnehmen!«
Der Arzt vertröstete die wartenden Patienten
auf später und ging hinter Cevdet auf die Straße hinaus. Unterwegs fragte er
nach dem Zustand des Kranken. Cevdet erzählte von den Hustenanfällen, und da er
nichts weiter zu berichten hatte, nannte er einfach den Namen der Krankheit:
Tuberkulose. Da setzte der Arzt ein Gesicht auf, als sei er hinters Licht
geführt worden, doch war es mit seinem Unmut gleich wieder vorbei: Anscheinend
war er im Grunde froh um den Anlass, dem Behandlungszimmer eine Weile zu
entrinnen. Er sah sich im Vorübergehen die Auslagen an, musterte Passanten und
kaufte sich in einem Geschäft Zigaretten. An Tuberkulose sterbe man nicht so
plötzlich, dozierte er und erzählte, wie bei einem früheren Patienten von ihm
der Krankheitsverlauf ein ständiges Auf und Ab gewesen sei. Einmal sah er
neugierig einer Frau nach, dann fragte er Cevdet nach seinem Beruf und konnte
seine Überraschung nicht verbergen, es mit einem Kaufmann zu tun zu haben. Als
sie schon in die Gasse einbiegen wollten, traf er an der Ecke einen Bekannten,
den er sogleich umarmte. Dann unterhielten die beiden sich lebhaft in einer
Sprache, die Cevdet für Italienisch hielt. Cevdet sah auf die Uhr: Viertel nach
drei.
Schließlich kamen sie in der Pension
an. Auf der Treppe klagte der Arzt über die Hitze, dann machte ihnen Mari die
Tür auf.
»Ich will keinen Arzt, macht die Tür
wieder zu! Das Dunkel soll hier nicht herein!« rief Nusret.
Der Arzt betrat hinter Mari das
Zimmer und schielte schon mal zu dem grummelnden Kranken hinüber. Er stellte
seine Tasche ab und wandte sich dann Mari zu, sah sie eindringlich an und sagte
bewegt: »Je vous reconnais, Mademoiselle Cuhacıyan!« Plötzlich küsste er
ihr die Hand, und als er gravitätisch den Kopf wieder hob, sagte er, diesmal
allerdings auf türkisch: »Ich habe Sie in der Glücklichen Familie bewundert!«
»Wer ist denn das? Was ist los?«
knurrte Nusret. Als er den Arzt lächelnd auf sich zugehen sah, sagte er: »Ihr
habt mir da keinen Doktor gebracht, sondern einen Clown!«
Unbeeindruckt fragte der Arzt: »Was
fehlt uns denn?«
»Sterben tue ich, an Tuberkulose!«
»Woher wollen Sie denn das wissen?«
fragte der Arzt und setzte sich zu Nusret ans Bett.
»Weil ich selber Arzt bin! Außerdem
braucht es dazu gar keine Untersuchung. Tuberkulose in meinem Stadium erkennt
jeder Arzt auf den ersten Blick. Sehen Sie sich doch mal mein Gesicht an, wie
hohlwangig ich bin. Haben Sie an der zivilen Hochschule studiert?«
Der Arzt lächelte gleichmütig und
sagte: »Soso, Kollegen sind wir also!«
»Ob zivil oder militärisch: Nach dem
Medizinstudium werden die Klugen Revolutionäre und die Dummen Ärzte!« rief
Nusret.
»Ich habe ja nie behauptet, klug zu
sein!« erwiderte der Arzt und sah lächelnd Mari an, denn sie erschien ihm wohl
als die einzige, die seine Nachsicht auch zu schätzen wusste.
»Was sind Sie eigentlich, Jude oder
was?«
»Ich bin Italiener«, sagte der Arzt.
Dann hielt er den Kopf an Nusrets Brust und machte Anstalten, ihm die
Hemdknöpfe zu öffnen. »Sie gestatten doch?«
»Hören Sie auf! Was soll denn das? Fassen
Sie mich nicht an!« rief Nusret. Dann sah er aber Maris wütendes Gesicht. »Ist
ja schon gut, reg dich nicht
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