Cevdet und seine Soehne
paar Sätze dazu.
»Sie wollen doch nicht wirklich
schon gehen?« fragte Güler und rief dem Dienstmädchen, es solle Tee servieren.
Dann bat sie Refık, sich doch ein wenig zu setzen, und nahm dann, ohne seine
Antwort abzuwarten, selber Platz und fragte ihn nach dem Befinden seiner
Tochter.
Refık trottete ihr nach wie ein
Schaf und setzte sich in einen Sessel gegenüber der Couch, auf der sie thronte.
Da er ohnehin nicht wusste, was er sonst hätte sagen können, begann er in
gekünsteltem Eifer von seiner Tochter zu erzählen.
Deren Intelligenz war der ganze Stolz von Refık und Perihan und ließ sich
schon an einer ganzen Reihe von Anzeichen ablesen, von denen Refık nun
einige aufzählte. Irgendwie fühlte er sich aber schuldig, dieser Frau gegenüber
von Perihan und von seiner Tochter zu berichten. Zuerst wusste er selbst nicht,
warum, aber dann fiel es ihm: »Weil sie geschieden ist!«, und um daran nicht
mehr denken zu müssen, fing er wieder an, über den Musterbrief zu sprechen. Als
das Dienstmädchen den Tee brachte, trat eine kurze Stille ein. Da trottete der
Hund herein. Als er Refık erblickte, blieb er erst misstrauisch stehen,
kam dann vorsichtig näher, schnupperte an Refık, und als er merkte, dass
es sich um keinen Fremden handelte, ließ er sich neben dem Kohlenbecken nieder.
»Er hat Sie erkannt«, sagte Güler.
»Ja, anscheinend«, erwiderte
Refık und trank in hastigen Schlucken seinen Tee. »Jetzt gibt es keinen
Gesprächsstoff mehr«, dachte er. Er fürchtete sich davor, sich noch mehr in
Schuldgefühle zu verstricken, und wagte schon gar nicht mehr, Güler ins Gesicht
zu sehen. Immer unwohler war ihm zumute. In diesem Raum, in dessen Mitte dieses
seltsame Kohlenbecken stand, fühlte er sich mit einemmal so verzagt, wie er es
noch kaum erlebt hatte.
»Sie haben ja einen Schnurrbart
jetzt«, sagte Güler. »Und der Vollbart ist wieder ab!«
Refık rang um eine Antwort,
schaffte es aber dann lediglich zu nicken. Nun fürchtete er sich davor, die
Frau werde zu seinem Aussehen mit Schnurr- oder Vollbart ein Urteil abgeben.
Schließlich trank er seinen Tee aus, und um vor dem Aufstehen
höflichkeitshalber noch irgend etwas zu sagen, fragte er: »Was … was machen
Sie denn sonst so?«
»Ach, nichts Besonderes!« erwiderte
Güler. Sie überlegte kurz, als habe sie die Frage nicht ganz verstanden. »Ich
bin die meiste Zeit zu Hause. Heute habe ich in meinem Zimmer die Möbel ein
bisschen umgestellt. Tja, und sonst? Ach ja, wir wollen eine kleine Feier
organisieren.«
»Ach ja? Interessant!«
»Und was machen Sie so? Neulich auf
der Straße haben Sie gar nicht gut ausgesehen.«
»Ja, da war ich krank. Ich musste
lange das Bett hüten. Heute bin ich zum erstenmal seit langem wieder ins Büro.«
Am liebsten hätte er hinzugefügt: »Mir geht es nicht gut. Mein Leben ist mir
entgleist, und ich weiß nicht, was ich machen soll.« Das erschreckte ihn so,
dass er sich sogleich erhob, aber dann war er selber verdutzt, als er so
dastand und dabei noch nicht einmal seinen Tee ganz fertiggetrunken hatte.
Selbst der Hund war aufmerksam geworden und blickte ihn an. Um irgend etwas zu
sagen, fing er nochmals von dem Brief an. Dann ging er auf die Tür zu und
begriff, dass er sein geliebtes Gleichgewicht, auf das er früher so stolz
gewesen war, nicht so leicht zurückgewinnen würde. »Ich darf jetzt nichts
Falsches machen!« dachte er. »Ich muss hier raus, weg von dieser geschiedenen
Frau!«
Sie standen vor der Tür, und
Refık sagte: »Auf Wiedersehen! Sagen Sie Sait und Atiye einen schönen Gruß
von mir!«
»Und Sie Perihan und Ihrer Tochter!«
Es war Refık so, als spielte
dabei etwas Spöttisches um ihre Mundwinkel. »Die geschiedene Frau eines
einfachen republikanischen Soldaten! Und ich bin der Mann von der Mutter meiner
Tochter!«
Als er schon hinausging, sagte Güler
noch: »Wenn wir Sie zu unserer Feier einladen, kommen Sie dann, Sie und
Perihan?«
»Natürlich, warum nicht?« Refık
sah dabei nicht Güler, sondern den Hund an, der ihnen nachgetrabt war.
»Dann könnten wir uns richtig unterhalten«,
sagte Güler.
»Unterhalten!« dachte Refık.
»Unterhalten, unterhalten! Ich wollte mich schon lange mit einer Frau wie Ihnen
unterhalten! Mir ist nämlich mein Leben entgleist!« Refık sah wieder den
Hund an und sagte: »Ja, das wäre gut. Ich wollte mich schon immer mit einer
Frau wie Ihnen unterhalten!« Er wandte den Blick nicht von dem Hund ab und
dachte: »Was habe ich bloß
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