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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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Als er sich an das Licht
gewöhnt hatte, sah er zu dem weiten, strahlendblauen Himmel hinauf. »Vielleicht
bin ich genau deswegen gekommen!« dachte er. »Was in meinem Kopf ver streut
herumschwirrt, das vermögen dieses Licht und dieser Himmel zusammenzufügen, und
ich werde dadurch immer ruhiger!« Er blickte auf die Anhöhe vor sich, auf die
Baracken zur linken und rechten Seite davon und auf den fernen Fluss, und Ömer
lieferte ihm hin und wieder lächelnd Erklärungen dazu, wobei seinem Mund
Dampfwölkchen entstiegen, die sich lange hielten. Die weitläufigen Baracken
seien Arbeiterunterkünfte, erläuterte Ömer. Die Leute arbeiteten in zwei
Schichten zu je zwölf Stunden, so dass die Baracken und die Betten darin nie
leerstünden. Refık betrachtete den sich dahinwindenden Fluss, die mit
zunehmender Nähe zum Tunnel immer häufigeren Felsen und die
dazwischengezwängten Schneefelder, und wieder verspürte er den Wunsch nach
irgendeiner Tätigkeit in sich.
    Sie betraten den Tunnel auf der dem
Fluss zugewandten Seite. Drinnen herrschte ein lautes Treiben. Der Tunnel war
feucht und muffig. Vom Eingang aus hatte man damit begonnen, ihn auszukleiden.
Ömer sah aus dem Augenwinkel auf die Arbeiter, die ihm scheue Blicke zuwarfen,
grüßte ab und an mit einem leichten Nicken oder einem Verziehen des Mundwinkels
einen Steinmetz oder einen Zimmermann und versorgte Refık voller Eifer mit
Erläuterungen: Jene Maurermeister seien vom Schwarzen Meer und die grabenden
Arbeiter aus der Gegend von İspir.
Ein Förderzug voller Erde und Gestein fuhr aus dem Tunnel aus. Die Gesamtlänge
des Tunnels betrage sechshundert Meter, und von beiden Seiten her seien sie
schon je zweihundert Meter vorangekommen, jedoch nun auf der anderen Seite auf
Fels gestoßen. An den Wänden brannten Karbidlampen. Ömer erklärte, er habe
einen Generator bestellt, der aber noch nicht eingetroffen sei. Bis Anfang
September müssten sämtliche Wände ausgekleidet sein und der Tunnel zur
Schienenverlegung übergeben werden. Aus der Tiefe des Tunnels ertönten
Bohrgeräusche. In der Mittagspause wurde immer mit Dynamit gesprengt, und dazu
bereitete man Löcher vor. Die am Vortag abgesprengten Felsbrocken wurden in den
Förderzug geladen, Maurer hauten Steine zurecht, Zimmerleute sägten, und der
ganze Tunnel hallte nur so wider vor Lärm. Ömer grüßte nach links und rechts,
unterhielt sich manchmal kurz mit einem Vorarbeiter, und Refık lauschte
seinen Erklärungen. Als sie an die Stelle gelangten, wo das Dynamit verlegt
werden sollte, sprach Ömer noch einmal mit jemandem, dann kehrten
sie um, verließen schließlich den wie ein Vulkanschlot brodelnden Tunnel und
traten wieder unter den klaren, ruhigen Himmel. Die Sonne glänzte noch immer
auf den Schnee.
    »Ich gehe jetzt zur anderen Seite
hinüber«, sagte Ömer. »Komm doch mit, dann siehst du auch die anderen
Baustellen, den großen Tunnel und die Brücken.«
    Da kam ein bäuerlich gekleideter
Mann mittleren Alters auf sie zu, die Mütze in der Hand. Er wollte sie gerade
anreden, als ihm von hinten jemand zurief: »Nein, lass den Herrn gefälligst in
Ruhe!«
    Ömer sagte eilig: »Ich kann da
nichts machen, wende dich an den Bauführer!« Als sie ein paar Schritte weiter
waren, sagte er zu Refık: »Da tun sich immer ein paar Leute aus einem Dorf
zusammen, wählen sich so einen wie den da als Anführer und ziehen auf
Arbeitssuche von Baustelle zu Baustelle … Schau mal, das da ist die größte
Baustelle! Es ist der von Kerim Naci geleitete Tunnel, an dem arbeiten
tausendzweihundert Leute!«
    Sie gingen um den Hügel herum, der
untertunnelt wurde, und folgten dem Bogen des Flusses unten. Am Flussufer
standen noch größere Baracken als die, die sie zuvor gesehen hatten. Weiter
vorne sah man ein Geschäft, ein Kaffeehaus, die Baracken der staatlichen
Kontrolleure und die Unterkünfte der ausländischen Ingenieure. Zwischen den
höheren Bergen ringsum und unter dem weiten Himmel lag das alles klar und
deutlich vor einem, bis ins feinste Linienspiel erkennbar. Das Licht drang rein
und glänzend bis in die hintersten Ecken und ließ alles ruhig und bescheiden
wirken, auch die Menschen, und anderes ließ sich in in diesem Licht gar nicht
vorstellen. Refık sah die Menschen dort unten zwischen den Baracken
umhergehen, den Krämerladen betreten, rauchend dasitzen, Lasten tragen, den
Hügel emporsteigen, sich im Schnee fortbewegen wie Ameisen.
    »Du sollst erst sehen, wie es hier in
der Mittagspause

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