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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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zugeht«, sagte Ömer. »Da drängeln sich die Leute nur so vor
dem Laden, und im Kaffeehaus geben sie sich die Klinke in die Hand!«
    Refık dachte: »So viel Licht
und Bewegung! Und was mache ich?« Sein Bewusstsein war völlig scharf, jedes Ding
und jede Bewegung, alles hatte seinen Platz und ruhte in sich, aber Refık
wusste, dass tief in seinem Innersten etwas rumorte, und um das loszuwerden,
brauchte es noch etwas ganz anderes, das er vielleicht niemals finden würde.
»Ich darf nicht soviel nachdenken!« Er merkte, dass sie beim zweiten
Tunneleingang angelangt waren. Da er keine Lust hatte, diesen auch noch zu
besichtigen, trennte er sich von Ömer und ging zurück in Richtung Baracke.
    Von dem Weg, den er zuvor mit Ömer
gegangen war, blickte er wieder auf den Fluss, die Unterkünfte, die sich
regenden Menschen hinunter. Als er in der Ferne die Baracke erblickte, erschien
es ihm müßig, wieder genau dem gleichen Pfad zu folgen, und er hielt einfach
direkt auf die Baracke zu. Sogleich merkte er, wie schwierig es war, sich auf
dem Abhang im jungfräulichen Schnee einen Weg zu bahnen. Schritt für Schritt
sank er ein, doch obwohl ihn gute dreihundert Meter lang mühseligstes Stapfen
erwartete, wollte er nicht auf den gebahnten Weg zurück. Die blendende Sonne
hatte er fast direkt vor sich. Schritt für Schritt wurde ihm jede einzelne
Bewegung seines Körpers bewusst.
    Als er unten auf dem
festgetrampelten Schnee anlangte, fühlte er erst, wie sehr ihn das Gehen
ermüdet hatte. Außer Atem blickte er auf die gezogene Spur zurück. Dann legte
er die letzte Strecke bis zur Baracke zurück und merkte angenehm überrascht,
dass ihm das Hemd am Leibe klebte. Er dachte an die Arbeiter im Tunnel zurück,
an das Dröhnen der Werkzeuge, die den Berg durchhöhlten. »Ich sollte meinen
Körper viel öfter anstrengen!« Beschämt fasste er Vorsätze. Ja, er würde von
nun an Morgengymnastik betreiben, und wenn es auch nur ein bisschen war, damit
würde er dieses peinliche Bäuchlein wegbekommen und seinem Körper das Teigige
austreiben; außerdem würde er alle mitgebrachten Bücher lesen, würde schreiben
und nachdenken und schließlich nach Nişantaşı als der alerte,
mit sich zufriedene Mensch zurückkehren, der er früher immer gewesen war.
    Vor der Baracke sah er Hacı,
der sich einen Stuhl in die Sonne gestellt hatte und Kartoffeln schälte. Zu
seinen Füßen tollte ein sehr behaarter junger Hirtenhund herum. Hacı
schien auf den Hund einzureden, doch als er Refık sah, verstummte er. Als
Refık näher kam, sah er Hacı direkt in die Augen
und lächelte ihn an. Hacı nahm das wahr, doch sein Gesichtsausdruck blieb
unverändert. Er deutete lediglich mit einem leichten Nicken an, dass er die
freundliche Geste registriert hatte. Der Hund, der sich gerade noch im Schnee
herumgewälzt hatte, hielt in seinem Toben inne und sah den Fremden ernsthaft
und vorsichtig an. Refık betrat die Baracke und blickte sogleich durchs
Fenster hinaus. Der Hund tollte wieder herum, und Hacı sprach auch wieder
mit ihm. Es ging von ihnen eine traute Gemeinsamkeit aus, die nichts anderes
besagte, als dass dieser Himmel, dieses Licht, dieses reglos daliegende Stück
Welt ihnen beiden gehörte.
    »Was Hacı wohl von mir hält?«
fragte sich Refık. »Und was soll ich jetzt tun?« Es stand noch immer Tee
auf dem Ofen. Er zog seinen Mantel aus und schenkte sich eine Tasse ein. Damit
setzte er sich an den Tisch. »So, und jetzt? Ich habe frische Luft geschnappt,
mich umgesehen, es geht mir gut. Jetzt fange ich am besten an zu lesen.« Er
trank noch einen Tee und ging dann ins Zimmer.
    Am Vorabend hatte er seine Bücher
auf der Truhe aufgereiht. Er griff zu Reform und Organisation und setzte
sich damit bedächtig an Ömers Schreibtisch. Er las und las, und irgendwann
merkte er, dass er überhaupt nicht konzentriert war. »Wie schön es da draußen
war! Und dieses Dröhnen im Tunnel … Natürlich scheint nicht jeden Tag die
Sonne so. Hm, was wohl Perihan jetzt macht? Es ist erst elf, aber ich habe
schon Hunger. Wie schön aus der Ferne diese Baracken und der Fluss aussehen!
Was gähne ich denn, bin ich schon müde? Aber wer weiß, wie es in den Baracken
zugeht. Bei der Arbeitslosigkeit … Nein, das da lese ich nicht weiter, ich
brauche was anderes!« Er holte sich die Bekenntnisse, setzte sich wieder
an den Tisch und versuchte sich diesmal nicht ablenken zu lassen. Er las die
Stellen über die Natur und das Landleben, die ihm in Istanbul am

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