Cevdet und seine Soehne
wirklich
nichts sagen, aber was ist das Mädchen für eine? Die schickt ihre Briefe immer
in rosafarbenen Umschlägen, aber vielleicht ist sie ja potthässlich!« Erst
hielt er inne, dann brüllte er wütend los: »Was bist du denn für ein
Scheißkerl? Dir kann man ins Gesicht spucken, und du sagst noch immer nichts!«
Ömer bemühte sich, wütend zu wirken:
»Du Saufkopf! Dich kann ich doch nicht ernst nehmen!« Aber das hörte sich so
gewöhnlich an. Es waren die hochfahrenden, irgendwie viel zu vernünftigen und
vorsichtigen Worte eines Neureichen …
»Soso, das kannst du also nicht
ernst nehmen! Soll ich dir mal was sagen? Ich sage dir jetzt mal was, ganz
egal, ob du das ernst nimmst oder nicht! Ich sage dir …« Er dachte kurz nach.
»Dieser Kerim Naci, ja? Dieser Kerim Naci, dem reichst du nicht mal bis zum
Knöchel, kapiert? Nicht mal bis zum Knöchel!«
Ömer dachte: »Wie kommt er nur
darauf? Er brauchte eine Zielscheibe, aber warum gerade mich?«
»Dieser Kerim Naci ist ganz anders
als du. Du hast dir den Hintern aufgerissen und uns wie Sklaven angetrieben, um
rechtzeitig fertig zu werden. Und das hast du auch geschafft! Und hast einen
Haufen Geld verdient! Aber schau dir mal diesen Kerim Naci an! Der hat nicht
nur eine volle Brieftasche, der ist in allem reich: Seele, Herz, Abstammung …
Seine Ländereien kann er an einem Tag nicht mal abreiten. Der muss sich nicht
abrackern, um Geld zu verdienen. Der sagt sich höchstens, anstatt nur
rumzusitzen, verdiene ich noch was dazu. Sein Vater ist Großgrundbesitzer. Und
du? Reichst ihm nicht bis zum Knöchel! Was war denn dein Vater? Ein kleiner Rechtsanwalt?
Kaufmann?«
»Er hat es mir angesehen!« dachte
Ömer. »Am Gesicht hat er mir angesehen, dass ich eine gute Zielscheibe abgebe,
und das genießt er jetzt!«
»Also was? Rechtsanwalt?« fragte
Enver voller Abscheu. »Meiner war Soldat. Und Enver hat er mich nach Enver
Paşa genannt, weil er den so verehrte!«
»Mein Vater war Kellner!« sagte
Salih. »Und meine Mutter braucht jetzt das Geld, das ich ihr schicke.«
»Nur gut, dass wir so viel verdient
haben! Dank unserem Partner!« Enver stand auf und ging auf Ömer zu: »Wusstest
du, dass sein Vater Kellner war?«
»Ich habe es gerade erst erfahren.«
Es war Ömer peinlich, dass seine Stimme dabei so zittrig klang.
»Wurde aber Zeit! Und der hat nicht
irgendwo gearbeitet, sondern im berühmten Hotel Tokatlıyan! Der musste also da den Diener
spielen, wo Societyschnepfen herumkokettieren und Lackaffen wie du sich den
Bauch vollschlagen und die Hälfte des Brotes auf dem Tisch liegenlassen! Hast du
das begriffen?« Er spielte sich als Beschützer von Salih auf. »Wegen der
Societyweiber durfte der Junge nicht in das Lokal rein, ist dir das eigentlich
klar?«
Ömer wollte nichts sagen und trank
nur hastig seinen Rakı. Wenn er in dem Tempo weitertrank, würde er es
nicht mehr hinausschaffen, sondern sich an Ort und Stelle übergeben.
»Wegen dieser Societyweiber!«
wiederholte Enver. Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl und rief dann: »Ich
werde mir auch so eine schnappen! So ein reizendes kleines Societyweib! So wie
die Frauen von diesen dänischen Ingenieuren! Das waren doch Prachtexemplare,
was? Partner, du weißt doch, wie man an so was rankommt! Was muss man da tun?
Na sag schon, was mögen die gern? Mensch, ich nehm die jeden Tag ins Kino mit!«
Er legte Salih die Hand auf die Schulter. »Pass auf, Salih, wir haben doch
jetzt Geld. Wenn wir zurück in Istanbul sind, holen wir uns jeder so ein
Prachtweib. Wir ha ben Geld, wir haben studiert, wir sind Ingenieure … Du siehst
noch dazu gut aus. Und ich? Bin wenigstens intelligent!«
»Sei mir nicht böse, aber du siehst
aus wie eine Tonne!« sagte Salih.
»Das macht doch nichts!« dröhnte
Enver. »Auf die innere Schönheit kommt es an!« Er lachte laut. »Die innere
Schönheit!« Dann wurde er ernst. »Eigentlich wäre mir ja auch eine von diesen
Zigeunerinnen recht! Aber diese Societyweiber …« Er sah Ömer an. »Du sagst ja
gar nichts! Ach Salih, weißt du, wen ich fragen müsste? Seinen Freund hier,
diesen Refık. Der versteht was davon!«
Ömer dachte: »Ach Refık!«
Gerade hatten sie noch zusammengestanden, vor dem Kaffeehaus. »Mein einziger
wahrer Freund! Nur er weiß, wer ich wirklich bin!«
»Der versteht wirklich was davon!
Ich habe ihn nämlich mal in Nişantaşı gesehen, mit einem Zuckerpüppchen!«
Ömer dachte: »Ich habe mich über
Refık lustig gemacht, über
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