Cevdet und seine Soehne
an, als suchte er krampfhaft
nach einem Mittel, ihm lästig zu fallen. »Du bist aber auch besonders schlau!«
Und zu Salih gewandt: »Er hat uns nicht wie andere ein Gehalt gezahlt, sondern
uns beteiligt, so dass wir Partner sind, jawohl, Partner. Und deshalb haben wir
geschuftet wie die Wasserbüffel und zu zweit die Arbeit von zehn Ingenieuren
geleistet.« Er sagte das, als wäre Ömer gar nicht im Raum und als erzählte er
Salih da etwas, was jener noch gar nicht wisse.
Ömer ging in die Küche und suchte
nach der Rakıflasche, die er dort abgestellt hatte. Er fand sie aber
nicht. »Die werden doch nicht meinen Rakı getrunken haben?« Dann fiel ihm
wieder ein, wo er sie deponiert hatte. Als er damit schon fast aus der Küche
war, fiel ihm ein, dass er kein Glas genommen hatte. »Hm, ein Glas, ein Glas
…« Da merkte er, dass ihn etwas ganz anderes beschäftigte. »Was reden die da
drüben?« Er hörte Envers Stimme. Dann lachten beide laut auf.
Mit der fast leeren Flasche und dem
Glas kam Ömer zurück. Er hatte vor, an dem Tisch draußen für sich allein zu
trinken.
»Und warum hat er sich ausgerechnet
uns als Partner ausgesucht? Hm, warum wohl? Weil er gemerkt hat, dass wir gute
Ingenieure sind. Und dann hat er uns gerupft wie die Hühner! Wir haben
gearbeitet wie verrückt!«
»Ihr hättet ja auch weniger arbeiten
können!« bemerkte Ömer, aber dann sah er ein, dass das nicht nur plump, sondern
auch Wasser auf Envers Mühlen war.
Als hätte er Ömer gar nicht gehört,
redete Enver weiter auf Salih ein. »Schon ein gerissenes Kerlchen! Hat nie den
Chef herausgekehrt. Wir haben wie Kumpel mit ihm geredet, und dafür zahlen wir
jetzt! Geködert hat er uns und dann gerupft wie die Hühner!«
»Wollt ihr etwa mehr?« fragte Ömer.
Er merkte gleich, dass das wieder ein Fehler war.
»Ha!« rief Enver. »Er meint, dass
wir betteln! Nichts wollen wir von dir! Er rupft uns, und dann hält er uns auch
noch für Bettler! Was sagst du dazu, Salih?«
»Ich habe noch nie im Leben gebettelt!
Meine arme Mutter hat immer gesagt …«
Ömer wandte sich zur Tür.
»He, wo willst du denn hin?« rief
Enver. »Setz dich her zu uns! Reden wir doch ein wenig!«
»So betrunken, wie ihr seid?«
»Na und, warum sollen wir nicht betrunken
sein? Wirst du etwa nicht saufen? Setz dich her und trink mit uns! Was anderes
wollen wir doch gar nicht. Hm, Salih, was meinst du, er soll doch nur ein
bisschen trinken mit uns!«
»Genau, trinken soll er! Setz dich
doch ein wenig her zu uns!«
Da rief Enver: »Schleim ihn doch
nicht so an! Wenn er nicht will, dann soll er es bleibenlassen!«
»Schon gut, ich setze mich ja zu
euch!« sagte Ömer beschwichtigend und nahm am anderen Tischende Platz.
»Schau nur, du hast ihn
angeschleimt, und er setzt sich so weit weg von uns!« sagte Enver. »Direkt
neben uns will er nicht. Er denkt wohl, wir belästigen ihn bloß. Na ja,
immerhin hat er sich überhaupt herabgelassen!«
»Da war nur kein Stuhl!« verteidigte
sich Ömer. Beschämt schenkte er sich ein Glas Rakı ein und kippte es
hinunter.
»Und was meinst du wohl, warum er
solchen Abstand zu uns hält? Weil er hoch hinauswill, der feine Herr! Er trinkt
lieber mit Kerim Naci oder mit den europäischen Ingenieuren, was soll er da mit
armen Tröpfen wie uns!« Dann schrie er: »Wir sind aber keine armen Tröpfe!«
Ömer dachte: »Ich muss mehr
trinken!«
»Und dann steckte er immer mit
diesem affektierten Deutschen zusammen. Der konnte nicht einfach Karten spielen
wie wir, es musste schon Bridge sein! Und Schach: Denksport! Ha!« Mit künstlich
hoher Stimme sagte er: »Wie viele Karten möchten Sie, Monsieur?«
»Aber ›Monsieur‹ sagen doch
die Franzosen!« wandte Salih ein.
»Na und? Alles Europäergesindel! Und
mit denen lässt er sich gerne ein, weil er sie für was Besseres hält. Was habe
ich die Schnauze voll von denen! In der Schule hat’s immer geheißen, die sind
uns überlegen, zu Hause hat’s geheißen, die sind uns überlegen, im Kino haben
wir sie gesehen, in allen Zeitschriften, und er macht sich jetzt auch noch lieb
Kind bei denen!«
Ömer hörte aufmerksam zu.
»Hoch hinaus will er!« Enver redete,
als würde er über einen Abwesenden herziehen. »Und weil er so hoch hinauswill,
hat er sich die Tochter von einem Abgeordneten unter den Nagel gerissen.«
Genießerisch betonte er dabei jedes Wort. »Und was ist das so für eine, diese
Abgeordnetentochter? Unser Ömer sieht ja prima aus, da lässt sich
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