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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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er
seinem Vater gleicht! Der ist gestorben. Und auch Yılmaz wird sterben. Was
denken wir heute über seinen Vater? Nichts mehr! Und falls doch, was hätte das schon
zu bedeuten? Wir müssen alle einmal sterben. Ich werde auch sterben und mit mir
alles, was jemand über mich denkt …« Da merkte er, dass Osman ihn ansprach.
    »Wie oft habe ich dir’s jetzt schon
gesagt! Also, was machst du?«
    »Was mache ich womit?«
    »Mit dem Mitgliedsbeitrag!« Osman
stand auf und sah erst seine Mutter, dann seinen Bruder an. »Ach, ich gehe
jetzt in den Club, bevor ich hier noch –«
    »Was ist denn los mit dir, Junge?«
    Mit der herrischen Geste des
Verärgerten, der jede Rechenschaft verweigern darf, stürmte Osman
hinaus. Daraufhin erhob sich auch Refık.
    Nigân fragte: »Und wer kümmert sich
heute um mich? Ach, Cevdet, seit du nicht mehr da bist …«
    Refık ging die Treppe hinauf.
»Ja, wir werden alle einmal sterben, aber daran darf ich jetzt nicht denken.
Ich muss die Bücher lesen, die ich mir vorgenommen habe, und ich muss
nachdenken und das Programm aufstellen, das ich Perihan und mir selber schuldig
bin. Mein bisher so verschlafenes und unentschlossenes Leben wird daraufhin in
geordneten Bahnen verlaufen. Und meine Tochter wird mir einmal keine Vorwürfe
machen. Beim Gedanken an das armselige Dasein der Bauern und der Arbeiter in
Kemah werde ich mich meines Lebens nicht mehr schämen. Ein programmgemäßes
Leben wird mich überhaupt von vielerlei Scham befreien. Ich zweifle in keiner
Weise daran, dass ich ein solches Leben erlangen werde. Ich werde lesend dazu
finden, und so werde ich nun auch in einem der dazu nötigen Bücher
weiterlesen.« Er setzte sich an den Tisch und sah in das aufgeschlagen
daliegende Buch. »Aus dem bisher Gelesenen schließe ich folgendes: Die
griechische Antike war ein goldenes Zeitalter und muss wiedererstehen, und zwar
aus folgenden Gründen; das heißt, das sind die Gründe des Autors, aber was sind
meine? Ich finde, was es damals gab, war hervorragend und täte uns heute auch
gut. Man kann wohl sagen, dass es uns heute sehr daran fehlt, nämlich an
Vernunft, Gleichgewicht, Harmonie und noch so manchem anderen. Das werde ich
Herrn Rudolph schreiben. Und mein Buch werde ich ihm schicken. Was er wohl dazu
sagt? Ob er mich für einen Phantasten hält? Wir brauchen ein Zeitalter der
Aufklärung. Die griechische Antike war so eines. Um in der Türkei Ähnliches
zuwege zu bringen, bedarf es nicht wirtschaftlicher Anregungen, so wie ich sie
niedergeschrieben hatte, sondern eher kultureller. Solche müsste ich finden,
aber nicht jetzt, denn Vorrang hat mein Programm! Ich muss lesen!« Er nahm
seine Lektüre wieder auf, und nach einer Weile stellte er zufrieden fest, dass
er sechs Seiten weit gekommen war. Er versuchte dann weiterzulesen, aber da er
immer an das schon Geleistete denken musste, war es mit der Konzentration
dahin, und die auf der Lauer liegenden Gedanken fielen wieder über ihn her.
»Ich lese und lese, aber was kommt dabei heraus? Wie schaffe ich es, aus diesem
Haus auszuziehen? Was würde Süleyman Ayçelik sagen, wenn er mich hier so sähe?
Was ist dieser Mustafa für ein Mensch, der Mann von Perihans Freundin? Süleyman
Ayçelik würde sagen: Anstatt mit dem Staat zusammenzuarbeiten, geben Sie sich
hier mit nichtigen Gedanken ab, weil Sie zu weichherzig sind. Es läutet! Wenn
doch …« Er wartete ab. »Wenn doch jemand käme, mit dem ich reden kann! Aber
wer soll das sein? So jemanden gibt es doch gar nicht.« Er versuchte noch mal zu
lesen, aber dann stand er ruckartig auf. »Was soll ich nur tun? Was soll ich
tun?« Da ging die Tür auf.
    »Muhittin!« rief er. Er breitete die
Arme aus, schlug sich vor Freude auf die Schenkel und umarmte seinen Freund
dann stürmisch. »Ist das schön, dass du da bist!«
    »Ich bleibe aber nicht lang,
höchstens zehn Minuten!«
    »Wie geht es dir denn?«
    »Gut, gut! Ich wollte nur nur mal
vorbeischauen!« Muhittin setzte sich in den Sessel am Fenster, sah sich mit seinem
kritischen Blick im Zimmer um. »Hm, das Bild von deinem Vater passt sehr gut
hierher! Irgendwann mal werden deine Kinder dein Bild hier aufhängen!«
    »Das ist noch sehr die Frage!«
    »Keine Sorge, das kommt schon noch!
So wie du dich zum Familienmenschen entwickelst!«
    Refık dachte lächelnd an ihre
früheren Diskussionen zurück. Er hätte gern daran angeknüpft, ahnte aber schon,
dass das nicht möglich war. Beim ersten ihrer drei Zusammenkünfte seit
Refıks

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