Cevdet und seine Soehne
aus Neugier, du
verstehst schon!«
»Ja. Ich liebe dich und bin sehr
froh, dass ich auf dich gewartet habe und jetzt mir dir zusammen bin. Und ich
würde wieder warten …«
»Ich will ja auch nirgends hin!«
beeilte sich Refık zu sagen. »Ich liebe dich auch!« Er ging zu Perihan und
umarmte sie, aber als er sich im Spiegel dabei sah, war ihm das peinlich, und
er ging zum Fenster zurück. »Wozu malst du dir die Lippen an?«
»Mein Vater hat gesagt, er will mich
mal mit Lippenstift sehen!«
»Ach stimmt, du gehst zu deinen
Eltern heute! Das hatte ich ganz vergessen …« Nach einer Weile sagte er: »Und
was machen wir morgen?« Perihan war immer noch nicht fertig. »Was machen wir morgen,
was machen wir übermorgen, was machen wir überübermorgen, und was machen wir
bis ans Ende unseres Lebens?«
»Du gehst doch jetzt wieder zur
Arbeit …«
»Ja, schon, aber ich habe immer noch
Zeit zum Nachdenken. Die Firma füllt mich also nicht aus!«
»Osman sagt aber, dass du sehr
fleißig bist. Und du wolltest doch an solche Sachen nicht mehr denken? Und dich
mit der Arbeit ablenken? Du hast gesagt, anstatt dich in Phantastereien zu
flüchten, willst du in der Firma arbeiten, zu Hause dann lesen, ein Programm
ausarbeiten und richtig leben.«
»Lebe ich vielleicht nicht?«
»Mir ist nicht zum Scherzen.« Um zu
zeigen, wie ernst es ihr war, wandte sie sich vom Spiegel weg und
dem echten Refık zu. »Du hast gesagt, du willst alles im Licht deiner
Erfahrungen von Kemah und Ankara neu überdenken, willst auch über unser
gemeinsames Leben nachdenken und darüber, was notwendig ist, um aufrecht und
ehrlich zu leben, wie man sein Leben gestalten soll, und von den großen Zielen
bis hin zum kleinsten Alltagsdetail willst du alles durchdenken und ein
Programm ausarbeiten, ohne dich von lähmenden Spinnereien und Krisen aus dem
Konzept bringen zu lassen!«
Refık war stolz, dass Perihan
sich das alles so genau gemerkt hatte. Bewundernd sah er seine Frau an und
schämte sich. Zum Zeichen dafür, dass er gedanklich wenigstens ein bisschen
vorangekommen war, sagte er: »Was meinst du, sollen wir uns eine eigene Wohnung
suchen?«
»Ich würde gern wissen, wie ernst
dir damit ist!« entgegnete Perihan und stand auf. Sie nahm ihre Tasche vom Bett
und steckte einen Kamm, ein Taschentuch und einen Handspiegel mit dem Bild
eines Rehs auf der Rückseite hinein.
Leicht gereizt sagte Refık:
»Das ist tatsächlich ein ernstes Thema, über das nachzudenken ist. Aber du musst
dazu auch etwas sagen!«
»Ich möchte lediglich mit dir
zusammensein! Die vielen Leute hier im Haus treiben einen Keil zwischen uns.
Und seit ich Nermin mit einem anderen Mann gesehen habe und von dir weiß, was
Osman treibt, habe ich das Gefühl, ständig heucheln zu müssen. Ich kann denen
gegenüber nicht mehr natürlich sein.« Während sie redete, suchte sie auf der
Kommode und in den Schubläden nach etwas. »Weißt du, was ich meine? Man braucht
ja anderen Leuten nicht immer alles zu sagen, aber dass wir ihnen etwas
verheimlichen, was solche Bedeutung für sie hat, finde ich nicht richtig. Wenn
wir es wieder nicht schaffen, ihnen das … Ah, nimm das sofort aus dem Mund!
Los, raus damit!« Perihan packte die kleine Melek, schob ihr die Finger in den
Mund und holte einen Knopf heraus. »Genau den habe ich gesucht! Mein Gott, fast
hätte sie ihn verschluckt!« Sie sank auf den Stuhl vor der Kommode. »Mein
Gott! Der Knopf, den meine Mutter wollte!«
Die erschrockene Melek weinte, und
Refık nahm sie auf den Arm und beruhigte sie. Perihan sagte, sie sei schon
spät dran, setzte Melek aufs Bett und zog ihr ein Mäntelchen an.
»Du hast recht. Ich empfinde das
auch so. Soll ich also Osman etwas sagen?«
»Wenn du meinst … Dann muss ich
mit Nermin reden.« Sie nahm Melek auf den Arm und öffnete die Tür.
»Vielleicht wissen sie ja beide
schon Bescheid!« sagte Refık lachend, aber dann sah er, wie Perihans
Lippen zitterten, und fand seinen Scherz abgeschmackt. Er wollte noch etwas zu
Perihan sagen, wusste aber nicht, was. Gemeinsam gingen sie hinunter. In der
Eingangshalle setzte er noch einmal an, aber dann sah er Yılmaz, und sein
Gedanke entfiel ihm wieder.
Perihan machte die Haustür auf.
»Bist du mir böse?« fragte
Refık sie noch.
»Aber nein, warum soll ich dir böse
sein?« wehrte Perihan ab, doch mit weinerlichem Gesicht.
»Was ist los, was denkst du? Sag es
mir bitte! Liebst du mich?«
»Und wie ich dich liebe!«
Ohne Rücksicht, ob
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