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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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gar
nicht!«
    Refık sagte: »Pass auf, du
wirst noch in der Hölle braten!«
    Muhittin sagte gar nichts und sah
nur aufmerksam zu, als wollte er sich da heraushalten.
    »Jawohl, es beginnt nun! Was für
Menschen sind wir? Wir sind … Ja, genau: Ich habe doch in Ankara Samim
getroffen. Er hat gesagt, er hat sich vor uns gefürchtet. Hörst du, Muhittin?
Dieser stille, unscheinbare Junge. Hat sich vor uns als Student gefürchtet.
Warum nur?«
    »Wahrscheinlich hat ihm schon angst
gemacht, wie du angezogen warst!« sagte Muhittin. »Immer wie aus dem Ei
gepellt, die Pfeife im Mund … Kein Wunder, wenn er als armer Schlucker da
eingeschüchtert war!«
    »Ach was! Nicht mich speziell hat er
gefürchtet, uns alle! Eher noch dich am meisten. Ich habe deine Zeitschrift
gelesen. Der Schweiß ist mir ausgebrochen dabei, ich habe schon gedacht, ich
habe Fieber. Am Schluss habe ich natürlich losgelacht! Also gefürchtet hat er
eher deine, nein, nein, unsere Art. Nun zieh doch nicht so ein Gesicht!
Verschieben wir das Thema lieber!«
    »Na hoffentlich!« sagte Muhittin.
    »Nein, verschieben wir es nicht!«
rief Ömer. »Ich will alles sagen, was mir in den Sinn kommt! Ihr wollt
wahrscheinlich wissen, was ich so gemacht habe? Auf dich kommen wir schon noch
zurück, aber erst mal schlagen wir mein Heft auf! Ihr seid neugierig, und …«
    »Nimm dich doch nicht so wichtig!«
sagte Muhittin, der nun vergnügter wirkte.
    »Ich bin Großgrundbesitzer geworden,
wenn auch Refık das Wort nicht gefällt. Jedenfalls etwas in der Art. Wir
sind zum Notar und fertig. Und von meiner Verlobten habe ich mich getrennt.«
    »Auch beim Notar?« fragte Muhittin.
    »Mensch, pass doch auf«, sagte
Refık, »beim Notar hat er den Grund gekauft.« Und zu Ömer: »Wird so was
nicht im Grundbuchamt gemacht?«
    »Du hast schon was getrunken und du
noch nicht, aber besoffen seid ihr beide schon!« sagte Muhittin.
    »Trink du deinen Tee! Alkohol ist für
dich verboten!« sagte Ömer. »Ich habe mich also von meiner Verlobten getrennt.
Jetzt werdet ihr euch fragen, wie so was vor sich geht, wenn der Verlobte sich
bis zum Hochzeitstermin irgendwo versteckt? Na eben per Brief. Muhtar hat
meinem Onkel einen Brief geschrieben, und wenn du den sehen würdest, Muhittin,
wärst du entzückt. Obwohl, inzwischen findest du so was vielleicht ganz normal.
Na ja! Gott sei Dank haben sie es nicht so weit getrieben, mir auch noch den
Verlobungsring zurückzuschicken! So, jetzt ist es heraus!«
    »Erzähl doch lieber mal, was du dort
so treibst!« verlangte Muhittin.
    »Dann bist aber du dran! Also, ich
stehe morgens auf und suche mir irgendeine Beschäftigung. Am Generator oder am
Lastwagen was reparieren, die Wasserpumpe schmieren, so was in der Art. Da ich
bisher nur Gast war, habe ich nicht mehr unternommen. Jetzt, mit dem Boden,
geht es ans Bestellen. Ansonsten fahre ich manchmal nach Kemah für Besorgungen
oder nach Erzincan, da habe ich inzwischen Bekannte, den Gouverneur und einen
Arzt. Wir spielen Poker und trinken und schwatzen. So, reicht das? Jetzt erzähl
du – oder du, Refık!«
    »Ich habe ja vorhin schon berichtet.
Aber jetzt noch mal für Muhittin!« Als er fertig war, fragte er Ömer: »Hat
Muhtar was über mich gesagt?«
    »Hätte ich ja gar nicht gedacht,
dass dich so etwas plagt!« warf Muhittin ein.
    »Nein, hat er nicht. Ich denke, er
mag dich. Mich dagegen gar nicht, soviel steht fest!«
    »Ist was vorgefallen zwischen euch?«
fragte Refık.
    Ömer schnaubte nur und sagte: »Jetzt
ist Muhittin dran! Muhtar mag mich einfach nicht. Wenn er mich sieht, wird ihm
klar, wie unsinnig das Leben ist!«
    »Sei doch nicht so eingebildet!«
rügte ihn Muhittin. Dann nahm er sich zurück: »Na ja, tut mir leid, wir wissen
schließlich nicht, was dahintersteckt …« Er nahm sich Salami vom Teller.
    »Jetzt erzähl du endlich! Wenn du
nichts sagst und nichts trinkst, warum kommst du dann überhaupt?«
    »Dann trinke ich eben was!« rief
Muhittin und stand auf.
    »Das lobe ich mir!« rief Ömer. »Wahre
Freundschaft …«

57
  DIE QUALLEN
    »… zeigt sich erst da!«
    Muhittin dachte: »Warum habe ich
bloß gesagt, dass ich was trinke?« Er versagte sich Alkohol, hatte aber das
Gefühl, ein bisschen würde ihm nicht schaden, so dass er fürchtete, die Überzeugung,
die hinter dem Verbot stand, könnte ins Wanken geraten.
    »Her mit deinem Glas! Gesagt ist
gesagt!«
    Muhittin hielt Ömer sein Glas hin.
»Aber denk ja nicht, du hättest mich dazu verführen

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