Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
Vom Netzwerk:
mich bewundern könnte …«
    »Na komm schon! Was schaust du denn
in den Spiegel?«
    »Ich will wissen, wie ein
Großgrundbesitzer so aussieht!«
    »Ha! Ein Großgrundbesitzer? Ist das
dein neuer Spleen? Und was ist mit dem Eroberer?«
    »Das ist kein Spleen, ich bin
wirklich einer. Vor drei Tagen habe ich alle Erben zusammengetrommelt,
wir sind zum Notar und haben das unter Dach und Fach gebracht.«
    »Tatsächlich?« rief Refık.
»Gratuliere! Was stehen wir hier noch herum, komm rein! Aber ein richtiger
Großgrundbesitzer bist du trotzdem nicht. Das hat ja nicht nur mit dem Besitz
als solchem zu tun, das ist auch ein kultureller Begriff. Kulturelle Determinierungen
finde ich nämlich besonders wichtig neuerdings, und du kannst natürlich darüber
lachen …«
    »Nein, warum denn?« Ömer folgte
Refık ins Wohnzimmer. Verwundert sah er, dass alle Sessel mit
Schutzbezügen bedeckt und sämtliche Teppiche entfernt waren.
    »Seid ihr denn nicht hiergeblieben,
Perihan und du?«
    »Doch. Ach so, ja, meine Mutter
hatte Angst, dass alles verstaubt. Setz dich doch. Ich habe Tee gemacht.«
    »Alkohol hättest du keinen?«
    »Um die Zeit schon? Trinkst du dort recht
viel? Jetzt erzähl schon, was treibst du dort seit all den Monaten?«
    »Nur mal langsam, ich erzähl schon
alles. Hm, ihr habt hier ein Foto von deinem Vater aufgehängt …«
    »Warst du denn seither nicht mehr
hier? Überall hängen solche Bilder, in allen Zimmern. Ist es dir zu dunkel?
Soll ich die Läden aufmachen?«
    »Nein, nein, so ist es besser. Dann
meint man, es sei Abend. So lässt sich besser reden.«
    »Genau: reden!« wiederholte
Refık aufgekratzt und ging in die Küche, um den Tee zu holen.
    Ömer stand wieder auf und ging
umher. »Ja, reden werden wir. Er wird erfahren, was ich so gemacht habe und was
ich denke, und dann wird er das mit seinem Leben vergleichen, und wenn ihm was
Besonderes auffällt, wird er sich freuen. Wie immer! Und ich werde wie immer so
tun, als würde ich auf alles nur verächtlich herabsehen. Wenn wir doch
wenigstens was trinken könnten!« Refık kam mit dem Samowar zurück.
»Hättest du eine Kleinigkeit zu essen?« fragte ihn Ömer, und in seiner
gutmütigen Art trabte Refık sofort wieder in die Küche. »Als wollte ich
irgendwas hinausschieben!« dachte Ömer. »Schon auf der Schule war ich so. Ich
mag es nicht, ausgefragt zu werden. Aber das trifft es auch nicht!« Er blieb
stehen. »Könnte ich doch nur meinen plappernden Verstand zum Schweigen bringen!
Was bin ich nur für ein Mensch? Ach, jetzt fängt das schon vor dem Trinken an!«
Er setzte sich in Cevdets alten Sessel und wartete nervös.
    Refık kam mit Biskuits und Käse
zurück. Er merkte dann, dass Ömer an den Biskuits nur knabberte, um sich zu
beschäftigen. »Muhittin kommt bestimmt gleich!« sagte er.
    »Was macht er jetzt?«
    »Du weißt ja, er bringt eine
Zeitschrift heraus.«
    »Jaja, so einen pantürkischen
Blödsinn. Ich habe die letzte Nummer gesehen: einfach nur furchtbar! Aber was macht
er sonst?«
    »Sonst weiß ich auch nichts.« Er
fühlte sich bemüßigt, Ömer zu unterhalten. »Ich kann ja erst mal von mir
erzählen. Also, ich gehe nach wie vor in die Firma, und ich arbeite an einem
Programm, aber diesmal an einem, das wirklich einen Nutzen hat. Mit Perihan
geht es gut momentan. Es wundert dich wohl, dass ich das so betone. Na ja, es
kann ja auch mal nicht so gutgehen, denke ich. Du weißt, dass ich kein Mensch
bin, der allein leben kann. Melek wächst heran, sie macht uns viel Freude, aber
es ist nicht immer leicht mit ihr. Noch ein Kind möchte ich nicht! Ich lese
viel. Was mache ich sonst noch?«
    »Ich nehme an, du atmest auch und
isst hin und wieder was? Habe ich dir geschrieben, dass ich mich in Ankara mit
Samim getroffen habe? Einmal war ich sogar mit Nazli zum Essen dort. Er ist
jetzt verheiratet!«
    »Tatsächlich?«
    »Hat eine Wohnung. Hat Sachen drin.
Will sich neue Sachen kaufen. Will neue Menschen kennenlernen, gute Menschen!«
    Refık lächelte Ömer an und
dachte: »Warum kann ich nicht so scherzen?« Er tunkte ein Biskuit in seinen
Tee.
    »Der lebt auch und atmet. Und weißt
du, was er über uns gesagt hat? Über uns drei, meine ich? Dass er damals Angst
vor uns hatte! Hat es nicht geläutet?«
    »Bestimmt Muhittin! Also Angst hatte
er vor uns? Wie meint er das?« Er ging zum Fenster und spähte durch die Läden
hinaus. »Ja, es ist Muhittin!« Er ging hinaus, um ihm zu öffnen.
    Ömer stand auf, und als er durch

Weitere Kostenlose Bücher