Cevdet und seine Soehne
können!«
»Ich weiß, ich weiß, du wirst nie
verführt, sondern bist selber Verführer. Der Teufel! Wissen wir alle. Aber
nicht wissen wir, welcher Teufel dich mit diesem Panturkismus reitet!« Er
lachte und kippte sein Glas hinunter.
»Du bist ja vergiftet! Du bist ein
… ein … eine kulturverseuchte Qualle, kapiert?«
»Warum denn eine Qualle? Geht jetzt
der Dichter mit dir durch?«
Refık sagte: »Quallen mag ich auch nicht!«
»Ist mir nur so in den Sinn
gekommen!« lachte Muhittin.
»Bist ein Prachtkerl!« rief Ömer und
stand auf. »Pass auf, was ich jetzt mache! Jetzt gebe ich dir nämlich einen
Schmatz! Wohlgemerkt bin ich noch nicht betrunken, nicht dass es hinterher
heißt, der Kerl hat ihn besoffen abgebusselt!« Er ruderte auf Muhittin zu und
küsste ihn auf beide Wangen.
»So, endlich Schluss mit der Reserviertheit!«
sagte Refık.
Muhittin fühlte sich, als sei er in
eine Falle gegangen, aber er nahm es nicht schwer. »Komm ich mal auf andere
Gedanken!« tröstete er sich. Er nahm einen Schluck aus dem Glas, das Ömer ihm
vollgeschenkt hatte. Nach einem weiteren Schluck sagte er sich: »Wenn schon,
denn schon!« und leerte das ganze Glas.
»Jetzt geht’s erst richtig los!«
freute sich Ömer. »Trink du auch was, Refık! Obwohl, du brauchst das ja
nicht mal …«
»Genau!« sagte Muhittin, »der ist
auch so immer gut drauf! Kann alles einfach so sehen, wie es ist. Glück nenne
ich das, Glück!«
»Für so glücklich solltet ihr mich
lieber nicht halten!«
»Dann erzähl uns doch deine Sorgen!«
sagte Ömer.
»Mache ich ja. Ich fühle mich nicht mehr
wohl in diesem Haus. Und mit der Arbeit bin ich auch nicht zufrieden. Ein neues
Leben …«
»Suchst du und findest es nicht!«
unterbrach ihn Muhittin verärgert. »Aber das kann ich nicht ernst nehmen,
Refık! Deine Sucherei führt doch bloß dazu, dass du dein altes Leben
weiterlebst. Entschuldige schon, wenn ich es Sucherei nenne, aber du betreibst
das doch nur zur Gewissensberuhigung! Welche ernsthaften Sorgen hast du denn?«
»Es kommt mir alles so banal vor!
Ich kann nicht mehr so leben wie früher!«
»Mensch, wie oft hast du uns das
schon erzählt!«
»Ja, stimmt schon …« Schuldbewusst
senkte Refık den Kopf.
»Jetzt fangen wir nicht damit an, Kinder!« sagte
Ömer. »Wir reden immer das gleiche. Ich hab’s satt!«
»Ihr glaubt eben an nichts! Deswegen
seid ihr so abstoßend!« rief Muhittin aus.
»Ach so, abstoßend findest du uns?«
sagte Refık.
»Abstrakt gesprochen schon! Aber
sogar als euer Freund empfinde ich euch allmählich so!«
»Mit unserer Freundschaft ist es
dann nicht mehr weit her!« sagte Omer.
»Das sagst du doch nur aus Stolz,
weil du nicht als erster draufgekommen bist!«
»Nein! Na, mag ja sein … Aber
entscheidend ist doch, dass du vor uns davonläufst! Was soll denn das? Vorhin
hast du auch wieder gesagt, dass du fortmusst und keine Zeit hast. Ist die Zeit
etwa so wichtig? Das glaube ich nämlich nicht. Du hast höchstens Angst, dass
wir dich verspotten. Diese pantürkischen Gedichte sind nämlich nicht nur
blödsinnig, sondern auch einfach lächerlich!«
»Ich hätte überhaupt nicht kommen
sollen!« schrie Muhittin.
»Lächerlich, Muhittin, nichts als lächerlich!«
Muhittin schüttete noch ein Glas
Rakı hinunter.
»Was sagst du, Refık?« fragte
Ömer. »Liest du seine Zeitschrift?«
»Ja.«
Muhittin rief: »Du bist einer von
denen, die aus lauter Angst, ausgelacht zu werden, lieber gar nichts machen!
Immer denkst du nur, oh, ist das nicht oberflächlich, ist das nicht lächerlich,
und so bringst du überhaupt gar nichts zustande! Damit nur ja keiner was über
dich denkt! Banal zu sein, das schreckt dich, aber abstoßend zu sein nicht!
Warum eigentlich? Hast du darüber schon mal nachgedacht?«
»Hm, tatsächlich, habe ich noch
nie!« sagte Ömer grinsend.
Muhittin sah aber, dass er Ömer
getroffen hatte, und fühlte sich dadurch bestätigt. »Lächerlich zu sein macht
dir was aus, aber unrecht zu haben ist kein Problem für dich? Ich habe dir ja
schon mal gesagt, dass dir nichts wichtiger ist, als intelligent zu erscheinen.
Aber warum soll einer dumm dastehen, wenn er etwas macht? Oder an etwas
glaubt?«
»Ich glaube an mich«, sagte Ömer mit
gespielter Fröhlichkeit.
»Ja, früher mal … Da wolltest du
viel Geld verdienen und Istanbul erobern, die ganze Türkei … Ob das nicht
widerwärtig ist, sei mal dahingestellt. Aber hast du es jetzt gemacht? Du hast
ja auch nicht
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