Cevdet und seine Soehne
geheiratet, damit keiner über deine Ehe spotten kann. Gar nichts
machst du. Damit nur ja keiner in Zweifel zieht, wie intelligent du bist. Du
meinst, wenn du was tust, verlierst du damit das Recht, zu kritisieren, nein,
zu spotten. Du heiratest nicht, denn wenn du es tust, dann darfst du die Ehen
der anderen nicht mehr banal und oberflächlich finden. Aus Istanbul bist du
auch fortgelaufen und hast dich in dein Nest da geflüchtet. Und warum bist du
jetzt gekommen? Um zu sehen, was die anderen so machen. Um dich daran zu
ergötzen, wie gewöhnlich es hier zugeht. Hast du nicht selber gesagt, du bist
aus Neugier gekommen? Nein, nicht aus Neugier, sondern um verachten zu können.
Ich kann mir vorstellen, wie aufgeregt du warst, als du meine Zeitschrift in
die Hand genommen hast. Du wirst inständig gehofft, ja gebetet haben, dass sie
auch möglichst lächerlich ist!«
»Für so einen einfachen Menschen
hältst du mich also, Muhittin?«
»Vielleicht bist du auch
komplizierter, aber so einfach stellt sich mir das dar!«
»Dann sag mir doch mal das eine:
Kann der Mensch zugleich leben und spotten? Kann er glücklich sein und zugleich
zugeben, das alles tatsächlich so furchtbar ist, wie es ist? Das kann er
nicht!«
«Kann er schon! Wenn er nur an was
glaubt!«
»Aber allein, was du da glaubst, ist
ja schon lächerlich! Und ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass du es
wirklich glaubst!«
»Das schmeckt dir gar nicht, was,
der Gedanke, dass ich mich an etwas binde!«
»Ach, ich find’s nur einfach
lächerlich! Und weil ich dich kenne, würde ich zu gerne wissen, wie du dich
unter diesen Leuten verhältst …«
»Unter was für Leuten?« fragte
Refık, der auch schon einiges getrunken hatte.
»Unter den Nationalisten und Panturkisten!
«
»Hör auf, in diesem spöttischen Ton
über sie zu reden!«
»Mir kann keiner verbieten, über
alles so zu reden, wie es mir passt!«
»Du bist so was von widerwärtig und
eigensüchtig! Von wegen reden, nur spotten willst du! Und mit welchem Recht?
Was ist für dich richtig? Was bist du schon? Ein Nichts! Aber ich habe dich
damals gesehen auf deiner Verlobung, wie du alle angelächelt hast und jedermanns Schätzchen warst. Deine
flehentlichen Blicke haben damals besagt: Bitte, Muhittin, verspotte mich
nicht! Und jetzt würde ich gern auch mal in dein Kemah oder dein Alp fahren, wo
auch immer du bist, und mir ansehen, wie du da lebst!«
»Jetzt hört doch bitte auf, Kinder!«
bat Refık. »Ihr macht mir ja angst! Soll ich vielleicht Witze erzählen, um
uns ein wenig aufzuheitern?« Er dachte nach, aber ihm fiel keiner ein. »Ich
hatte ja eher gedacht, ihr zwei würdet euch gegen mich zusammentun! Früher war
es doch so, oder es ist mir so vorgekommen. Aber ihr habt ja ganz vergessen,
wie lange ihr schon Freunde seid!«
»Es hat eben alles seine Grenzen!«
sagte Muhittin.
»Schau, schau, jetzt will er alles
herunterspielen! Jetzt denkt er sich: Gut, sage ich eben nicht, was ich über
ihn denke, und wenn doch, dann in gefälliger Form. Deshalb auch vorhin diese herzzerreißende
Tirade: Versteht mich doch, ihr Ingenieure, ich glaube an etwas! Ich aber muss
der Intelligenz und dem Spott zu ihrem Recht verhelfen! Denn wie du so richtig
gesagt hast, lieber Muhittin, geht mir nichts über den Verstand. Es lebe der
Verstand!« Er wandte sich zu Refık: »Hast du eigentlich von Herrn Rudolph
was gehört?«
»Ja, wir schreiben uns.«
»Wer ist denn das?« fragte Muhittin.
»Ein Deutscher. Aber nicht einer von
den deinen. Ein wunderbarer Mensch!«
Refık sagte kopfschüttelnd: »Also
bei dir weiß ich nie, was Spaß und was Ernst ist!«
»Weiß ich doch selber nicht! Spaß!
Ernst! Keine Ahnung! Und apropos Vernunft … Sag mal, Refık, was schreibt
ihr euch denn so? Immer noch das gleiche Zeug?« Er machte eine wegwerfende
Handbewegung. »Aufklärung, Finsternis, Seele, Gedanken, Sklaventum … Sonst
noch was? Immer noch dieses Zeug?«
»Ja, immer noch.«
»Was ist mit Aufklärung und
Finsternis?« fragte Muhittin.
»Das sind lauter ganz hehre, entrückte
Begriffe, die von Ehrgeiz und Leidenschaft zerfressene Leute wie du und ich
nicht verstehen können. Weißt du, da die Türkei und überhaupt der ganze Orient
ein Hort der Dummheit und des Drecks sind –«
»Aber das behauptet doch kein
Mensch!« protestierte Refık.
»Erzähl nur weiter!« rief Muhittin
und stand erregt auf. »Aber ich hab schon verstanden!« Er sah Refık
zürnend an, und an dessen sichtbarer
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