Cevdet und seine Soehne
ergänzte
Ayşe.
»Es ist aber noch viel Zeit bis
dahin!« sagte Nermin lachend.
Osman ließ die Zeitung sinken und lächelte
die beiden an. Zufrieden stellte er fest, was er mit diesem Lächeln alles
ausdrückte, nämlich dass er zugleich den beiden zuhören, Zeitung lesen und
einfach leben konnte. Dann fiel sein Blick auf das Foto seines Vaters. »Ich
habe eine Geliebte, das ist eigentlich furchtbar! Aber ich wüsste ja gar nicht,
wie ich leben und worauf ich mich freuen sollte, wenn ich sie nicht hätte!« In
der Zeitung stand: »Johnny Weissmuller trennt sich von seiner Frau!« An so
etwas hatte er selbst noch nie gedacht. »Als Hausfrau und Mutter meiner Kinder
ist Nermin perfekt!« dachte er, aber sogleich stieg Groll in ihm hoch. »Bloß
hat sie kein Verständnis für mich!« Nermin und Ayşe unterhielten sich
immer noch. Osman blätterte um. »Wie ist
es meinen Eltern wohl ergangen? Mein Vater hatte bestimmt zeit seines Lebens
keine andere Frau als meine Mutter. Weil die eben verständnisvoll war! Heute
hat sie schwache Nerven, aber früher war sie anders!« So ganz befriedigt war er
von dieser Erklärung nicht. »Das waren eben noch Menschen vom alten Schlag!«
Was das genau zu bedeuten hatte, darüber wollte er nicht nachdenken. »Wo bleibt
denn das Essen?« Er warf die Zeitung auf den Tisch und stand auf. Zur
Beruhigung zählte er innerlich auf: »Selâhattin
hat auch eine, der Eisenhändler Mustafa genauso, und sogar Fuat soll mal eine
gehabt haben! Und Mustafas Frau weiß angeblich sogar Bescheid und sagt keinen
Mucks!«
»Was denkst du gerade?« fragte ihn
Nermin.
»Wo Refık und Perihan bleiben!«
»Die kommen gleich!« sagte
Ayşe.
»Das gehört sich einfach nicht!«
rief Osman und fühlte sich dann bemüßigt zu erklären, was sich nicht gehörte:
»Es gehört sich nicht, dass man nur an sich selber denkt!« Nermin und Ayşe
gingen aber gar nicht darauf ein und redeten unter sich weiter. Osman ging nun zwischen
dem Perlmuttzimmer und dem Treppchen zur Küche hinunter hin und her.
»Was bist du denn so nervös? Setz
dich hin!« sagte Nermin. »Was hast du heute nachmittag vor?«
»Ich gehe in den Club!« Er setzte sich
hin und griff wieder zur Zeitung. Jetzt würde er zuerst in den Club gehen
müssen, dachte er verärgert. »Aber ich halt mich nicht lang auf dort! Ich lasse
mich kurz blicken und gehe dann wieder. Da ist ja das Essen!«
Aber nicht Emine trat ein, sondern
Nigân. Sie ging schwerfällig zum Tisch und fragte: »Wo ist denn Refık?«
»Noch nicht da!« erwiderte Osman.
»Aber der Fisch ist fast fertig!
Fehlt nur noch, dass wir jetzt auch getrennt essen!«
»Die kommen gleich!« sagte Osman und
stand auf.
»Wer hat gesagt, dass sie mit dem
Fisch anfangen sollen?«
»Ich! Ich hab’s gesagt, weil Refık gleich kommt!«
»Aber das geht doch nicht!
Wenigstens bei Tisch müssen wir zusammensein. Wenn das jetzt auch noch wegfällt
…«
»Mama! Die sind gleich da!« Gereizt
stellte Osman fest, dass er schon wieder zu den Zigaretten griff. »Wie soll man
da nicht rauchen und zu anderen Frauen gehen!« dachte er, fast dankbar für
diese Begründung.
»Ich habe mir angesehen, was sie
nebenan machen«, sagte Nigân. »Weinen hätte ich können!«
Osman nickte nur und setzte sich
wieder hin.
»Furchtbar, was sie aus unserem
Nişantaşı machen!« sagte Nigân. »Und heiß ist es!«
»Ja, viel zu heiß!« erwiderte
Nermin.
»Wo sind die Kinder?«
»Die waren doch mit Ihnen im Garten,
oder?«
»Ja schon, aber –«
»Da kommen sie ja!«
»Und das Essen kommt auch!« Osman
schrie das fast hinaus, was ihm befremdete Blicke eintrug. »Ich habe einen
Bärenhunger! Und wie das duftet? Ist das Lorbeer?« Emine lächelte errötend, und
Osman setzte sich zu Tisch. Seine Mutter dagegen machte keinerlei Anstalten,
Platz zu nehmen, und so setzten sich auch Ayşe und Nermin nicht.
Osman rief ihnen zu, Refık und
Perihan würden bestimmt jeden Augenblick kommen, er riss sogar Scherze darüber,
aber es bedurfte noch vielen guten Zuredens durch Nermin, bis Nigân zu Tisch zu
bewegen war. Zu Zeiten von Cevdet habe es so etwas nicht gegeben. Da klingelte
es.
»Ah, da sind sie ja!« rief Osman.
»Ja, aber wir sitzen schon bei
Tisch!«
Gleich danach kamen Refık und
Perihan herein, noch immer in einer Unterhaltung begriffen. Perihan lächelte,
als sie die Familie schon so dasitzen sah.
»Gut, dass ihr nicht auf uns
gewartet habt!« sagte Refık.
»Von wegen gut! Gar nicht gut ist
das!«
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