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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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Ayşe
lächelnd ans Klavier, klappte den Deckel hoch und strich mit den Fingern über
die Tasten, aber ohne zu spielen. »Mein geliebtes Klavier!« dachte sie. »In dem
geliebten Perlmuttzimmer!« Lächelnd stand sie auf und sah die Möbel an. »Die
Intarsien … Die Sessel … Als ich klein war, stach mich das Blattgold der
Bezüge immer in die Beine, ich konnte mich gar nicht reinsetzen. Trotzdem mag
ich die Sessel.« Als sie merkte, dass die beiden Frauen sich miteinander
unterhielten, ging sie wieder ins Wohnzimmer hinüber. »Das schöne große Zimmer
… Unser Kronleuchter … Die hohe Decke mit den Engeln, die mir früher immer
angst gemacht haben … Der Lieblingssessel meines Vaters … Die samtbezogenen
Sessel … Die Stehlampe mit den vielen Verzierungen … Das von meiner Mutter
heißgeliebte Porzellan in der Buffetvitrine … Welches Service hat sie wohl
gewählt heute? Das mit den blauen Rosen drauf? Davon ist ja schon so viel
kaputtgegangen.« Um ihre Neugier zu stillen, ging sie zum Buffet und lächelte
dabei Atiye und dem Rechtsanwalt Cenap zu. »Natürlich das rote!« Dann ging sie
zu ihrer Mutter, die wie immer in ihrem Sessel saß.
    »Na, mein Kind, bist du zufrieden?«
fragte Nigân.
    »Und wie!«
    »Wir sind heute alle zufrieden!«
sagte Osman. Er saß rauchend in Cevdets Sessel.
    »Nur schade, dass Perihan nicht da ist!«
bedauerte Nigân.
    »Du weißt ja, wie krank sie ist,
Mama!« betonte Refık. »Heute nachmittag hatte sie Fieber, achtunddreißig
Grad. Er wandte sich zu Ayşe. »Ich brauche dir ja nicht zu sagen, wie gern
sie gekommen wäre!«
    »Natürlich! Und sie ist ja jetzt
auch …« sagte Ayşe lächelnd. Sie dachte: »Perihan bekommt ein Kind!« Sie
stand auf. »Und ich werde auch mal eins bekommen! Zu wem soll ich jetzt gehen?
Zu meinem Verlobten! Ich werde auch ein Kind haben und Perlmuttmöbel und …«
    Remzi sprach mit einem Freund. Da
dieser hochgewachsen war, musste Remzi zu ihm aufsehen, wobei er einen leichten
Buckel machte. Ayşe dachte: »Ja, ein bisschen dick ist er schon, aber das
sind viele andere auch!« Sie stellte sich dicht neben Remzi, der von einem neugekauften
Grammophon und von Schallplatten redete, wobei es ihm, wie neuerdings meist,
vor allem um den Preis ging. Remzi hatte angefangen, bei Fuat in der Firma zu
arbeiten. Sein Freund absolvierte gerade ein Praktikum bei einem Rechtsanwalt.
Auch er würde sich wohl bald verloben. »Dann werden wir uns gegenseitig
besuchen und essen und lachen!« dachte Ayşe und ging weiter. »Die reden
… Wo soll ich jetzt hin? Da ist ja der Buchhalter Sadık! Warum stehen
die da in der Ecke?« Sie nickte dem Ehepaar wohlwollend zu und lächelte dann
einen kleinen Jungen an. Sie beugte sich zu ihm hinab. Da hörte sie ein
Kleiderrascheln neben sich.
    »Ach Kadriye, ist das etwa Ihrer?«
    »Ja. Ganz schön groß geworden, was?«
    »Aber er scheint sich zu
langweilen.«
    »Überhaupt nicht! Es geht ihm hier
nur ein bisschen zu laut zu. Sag mal, weißt du eigentlich, dass du von Tag zu
Tag mehr deiner Mutter ähnelst?«
    »Tatsächlich?«
    »Erst dachte ich ja, du siehst mehr
deinem Vater gleich, aber wie du jetzt so blinzelst … Wie alt bist du denn
jetzt?«
    »Neunzehn!« Mit einem
entschuldigenden Lächeln strebte sie davon, als ob sie irgendwohin müsste.
    Sie spürte, wie Kadriye ihr
nachschaute. »Kadriye!« Sie war die Frau des berühmten Gynäkologen Agâh. Ayşe kannte auch die Söhne
der beiden. Sie stellte sich die ganze Familie vor und dachte: »So wie die
werden wir auch mal! Und wir werden sogar noch mehr zustande bringen!« Osman
hatte einmal gesagt, ihre Heirat sei für die beiden Firmen ein Glücksfall.
»Unser Heim!« Ihr schwebte dabei immer eine schöne große Wohnung vor, eine
glückverheißende Mischung aus diversen Zimmern, die ihr irgendwo gefallen
hatten. Sait Nedim und Nermin kamen plaudernd auf sie zu. Auch Atiye war dabei.
Sie sprachen über Sait Nedims Hund. Beim Anblick von Ayşe unterbrachen sie
ihr Gespräch, doch als Atiye sich lobend über Ayşes Kleid ausließ, redeten
sie weiter. »Sollen wir uns auch einen Hund zulegen?« dachte Ayşe, aber
das kam ihr doch nicht passend vor. Und Remzi war wohl auch nicht ein Mensch,
der für ein frech in der Wohnung herumtobendes Wesen zu haben war. »Was ist er
dann für ein Mensch?« Sie hatte sogleich eine Antwort parat: »Ein guter,
großzügiger, gutherziger Mensch. Ein Gentleman.« Es gab sicher noch andere
Worte dafür, die ihr nur jetzt nicht

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