Cevdet und seine Soehne
ihn daher beim Erzählen, so dass an einen
Rückzug nicht zu denken war.
Schließlich wurde Fuats
Anekdotenfluss aber von Atiye unterbrochen, die unbedingt fotografieren wollte.
Alle gruppierten sich um Nigân herum, und nachdem mehrfach das Blitzlicht
aufgeleuchtet hatte, konnte Refık sich hinauf in die Bibliothek
schleichen. Er hatte irgendwie das Gefühl, als hätte er beim Umzug ein
wichtiges Buch vergessen und als würde er darin eine Antwort auf so manche
seiner Fragen finden. Kaum stand er aber in der Bibliothek, packten ihn
sogleich wieder Reue und Schuldgefühl. »Ich habe mich immer noch nicht
entschieden!« Hier würde er nichts finden, die Regale standen leer. In einem
der früher mit seinen Büchern gefüllten Fächer lag Strickzeug, in einem anderen
standen vier Marmeladengläser. Auf dem Tisch la gen ein Mathematik- und ein
Lesebuch von Cemil. »Ich sollte Perihan nicht so lange warten lassen!« Dabei
hatte sie gesagt, er solle sich amüsieren und ruhig spät nach Hause kommen.
»Ich gehe jetzt heim, anstatt hier meine Zeit zu vertrödeln!« Um sich nicht in
Erinnerungen zu verlieren, verließ er schnell den Raum und ging die Treppe
hinunter, wo er wieder das Ticken der Uhr hörte. »Hoffentlich ist Ayşe
dann nicht beleidigt!« Im Wohnzimmer suchte er nach seiner Schwester, grüßte
dabei ein ihm völlig unbekanntes Gesicht und ärgerte sich, als er schon wieder
Güler sah. »Ich muss zu Perihan!« dachte er gereizt. Dennoch schielte er zu Güler
hin und merkte, dass sie ihn wieder betont verständnisvoll anschaute. »Ich gehe
heim! Wo ist nur diese Ayşe?« Da sah er, wie Sait Nedim, der bei seiner
Schwester gestanden hatte, auf ihn zukam. Er sah ihm an, dass er ihn etwas
fragen wollte.
Sait Nedim hakte sich auch sogleich
bei ihm unter. »Osman hat erzählt, dass Sie bei unserem Rastignac waren!«
»Bei unserem wem?«
»Unserem Rastignac! Ömer! So hatte
ihn doch Atiye genannt, als wir uns im Zug trafen!«
»Ach ja, natürlich, stimmt!«
»Und, was macht er jetzt?«
Erst wusste Refık nicht recht,
was er sagen sollte. »Der ist jetzt Landwirt!« entfuhr es ihm dann.
»Landwirt? Tatsächlich? Schön!« Er
ließ sich das Wort ein paarmal auf der Zunge zergehen. »Ja gibt es denn sonst
nichts zu tun?« fragte er dann süffisant lächelnd. »Dem ist hier wohl alles zu
eng geworden!« Er runzelte die Stirn. »Hm, schade irgendwie! Der hatte so ein
Feuer in sich. Er sagte, er sei so ehrgeizig, und das war er ja auch.« Sait
Nedim winkte seine Frau zu sich. »Rat mal, von wem wir reden? Von deinem
Rastignac!«
»Ach ja, wie geht es ihm denn? Wir
haben Fotos von ihm und würden ihn gern mal wiedersehen!« Ein kleiner Junge
kam auf sie zu, und sie streichelte ihm über den Kopf. »Na, was ist denn mit dir?«
Mit ernster Miene hörte sie dem Jungen zu, dann sagte sie: »Ach so, na dann
komm mal mit!« und ging ein wenig betreten zu Nermin. Sie flüsterte ihr etwas
ins Ohr und drohte zugleich dem Jungen mit dem Zeigefinger.
»Siehst du, für einen Rastignac hat
heute keiner mehr Verständnis!« rief Sait Nedim lachend. »Eroberer! Ach, die
jungen Leute!« Dann legte er Refık auf einmal väterlich die Hand auf die
Schulter. »Sie gefallen mir aber auch nicht! Sie reden kaum was, lachen nicht
… Ständig scheinen Sie zu grübeln. Worüber denn?«
»Weiß auch nicht. Bin ich
tatsächlich so?«
Sait Nedim lächelte ihn an. »Sie
sollen von hier ausgezogen sein!«
»Na ja, wir dachten, das sei das beste für
das Kind!«
»Für das Kind!« echote Sait Nedim,
aber er hatte schon etwas anderes im Sinn. Er lächelte einer vorbeikommenden
Frau zu und wollte sie auch schon ansprechen, aber dann ließ er es. Er nahm die
Hand von Refıks Schulter. »Seien Sie doch ein bisschen fröhlicher,
Refık!« Er sah drein, als versuchte er sich an etwas zu erinnern. »Seien
Sie fröhlich, begeistern Sie sich für etwas, leben Sie! Nehmen Sie sich ein
Beispiel an Ihrem Herrn Vater und gehen Sie Kompromisse ein, sonst machen Sie
sich nur unglücklich! Mit der Zeit werden Sie einsehen, dass das ständige
Grollen nichts bringt. Sagen Sie mal, stimmt das mit unserem Rastignac?«
»Es ist nicht ganz so, wie Sie
denken. Außerdem hat Ömer vor, nach Istanbul zu –«
Sait Nedim hörte ihm nicht zu.
»Leben Sie! Nehmen Sie teil am großen Dahinfließen! Was sind wir denn schon?
Kaum ein Tröpfchen in dem riesigen Strom! Lassen Sie sich treiben!«
Refık war nicht danach, sich
Lebensweisheiten anzuhören. »Das sind aber
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