Cevdet und seine Soehne
Konak zu Konak geht und dort arbeitet. Meine Frau hat heute
morgen schon bei mir vorgefühlt, sie will sie nämlich auch kommen lassen. Wirst
sehen, wenn die kommt, dann reden sie Französisch mit ihr, über die Zeit, als
wir dort gewohnt haben, und die Mädchen werden Gedichte vorlesen … Ich habe
mich an ihr vornehmes französisches Getue noch nicht gewöhnen können. Manchmal
denke ich mir, ich hätte beim zweitenmal lieber eine hübschere und dafür
weniger intelligente Frau heiraten sollen. Ob ich mir noch mal eine junge hole?
Lieber nicht. Da kommt nur Unfrieden ins Haus. Streit tagein, tagaus. Es ist
besser so, wie es ist. Ich habe eben eine kluge Frau. Und ihre Töchter sind
genauso. Mich finden sie manchmal grob. Und denken gar nicht daran, wer sie
überhaupt nach Paris gebracht hat, wo sie das alles gelernt haben. Jetzt
wollten sie ein Klavier, also habe ich eines gekauft. Darauf spielen sie und
amüsieren sich dabei, und sie lesen Bücher, scherzen herum, äffen irgendwelche
Leute nach, und ich verstehe nichts davon, aber ich lasse sie gewähren. Und
versteh mich nicht falsch: Eigentlich gefällt mir das alles sogar. So bin ich
nun mal. Ich habe es gern, wenn es im Haus fröhlich zugeht. Was soll ich denn
hier mit Grabesruhe? Und wir brauchen ja überhaupt diese europäischen Sitten.
Wir waren schließlich dort und haben gesehen, was sich alles tut. Bei uns
dagegen geht es nicht von der Stelle. Die bauen riesige Fabriken, Bahnhöfe,
Hotels … Sie verstehen sich aufs Arbeiten und aufs Amüsement. Na ja, sogar
ich in meinem Alter gehe jetzt in einen Club. Was für ein Wort schon: Club! Wir brauchen auch Fabriken. Aber wer
soll die betreiben? Geschäftsleute wie ihr. Aber von wegen, ihr kennt ja nur
eines: kaufen und verkaufen. Jetzt, wo es die Eisenbahn gibt, beladet ihr den einen
Wagon mit Baumwolle und Tabak und holt aus dem anderen Lampen und Stoffe
heraus, und ihr stopft euch dabei die Taschen voll. Ach lass nur, ich mag dich
trotzdem, und dass ich Nigân dir gebe, beruhigt mich.« Der Paşa blieb vor
dem Fenster stehen. »Schau, die Kutsche fährt vor. Jetzt steigen sie gleich
ein.« Er zwinkerte Cevdet zu wie einem Kumpan: »Wenn du deine Verlobte sehen
willst, dann komm her!«
Cevdet war sehr danach, aber er
zierte sich.
»Ja willst du sie denn nicht sehen? Wohl
schon, aber du traust dich nicht. Aber ich bin ja selber schuld, warum habe ich
sie nicht hergerufen? Was wäre schon dabei? So rückständig bin ich auch wieder
nicht. Du hättest mit uns essen sollen! Ich hatte es ja Bekir gesagt, aber der
muss es vergessen haben. Komm, Junge, schau, jetzt steigen sie gleich ein.«
Verlegen stand Cevdet auf und
lächelte dazu, als hätte er einen Scherz gehört. Leicht schwankend ging er zum
Fenster.
»Na also! Man will doch schließlich
seine Verlobte sehen, oder? Weißt du eigentlich, was für ein Mensch sie ist?
Ich will dir’s mal sagen: Unsere Nigân ist ein intelligentes und vernünftiges
Mädchen, aber nun ja, wie du weißt, nicht gerade die allerhübscheste. Sie ist
wohlerzogen und vornehm, aber unter uns gesagt kann ich nicht behaupten, dass
sie meine Lieblingstochter wäre. Türkân
ist von netterem Wesen, und Şükran
ist ziemlich nach mir geraten. Nigân ist eher verschlossen. Sie weiß aber, was
sie will. Du kannst ihr leicht mit Geschenken eine Freude machen, mit einem
Tassenservice etwa, denn Tassen und andere Dinge aus Porzellan liebt sie, oder
mit kleinen Vergnügungen. Sie lässt sich gern in der Kutsche spazierenfahren.
Allzuviel hat sie von der Welt noch nicht gesehen. Sie ist nicht sehr gebildet,
aber doch auch nicht ungebildet. Wie gesagt liest sie Bücher; Gedichte und auch
französische Romane, aber Leidenschaft ist das keine. Sie liest nur zum
Zeitvertreib, so wie unser Sultan Krimis liest. Für den europäischen Lebensstil
hat sie gerade so viel übrig, dass sie mit dir wohl mithalten kann. Dass sie
anspruchslos sei, möchte ich nicht gerade behaupten, aber gierig ist sie
bestimmt nicht. Sie hat hier im Hause ein recht
unauffälliges Dasein geführt, und was es bei uns an Gutem gibt, das hat sie
gelernt, und was es an Schlechtem gibt, das hat sie gesehen. Und ob sie
schlechte Angewohnheiten hat … Doch, ja, eine: Sie zwinkert immer mit den
Augen. Da kommen sie heraus.«
Zwischen der Kutsche und dem Eingang
zu den Frauengemächern war ein platanenbeschattetes Pflaster. Zuerst sah Cevdet
eine hochgewachsene, weißgekleidete Frau heraustreten. Aus dem Lachen des
Paşas schloss
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