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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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das Tavlaspiel zu
und stand wieder auf. Mehr zu sich selbst sagte er: »Hm, soll ich noch in den
Club? Auf ein Schwätzchen?«
    Er wandte sich zu Cevdet: »Was
meinst du, sollen wir am Abend gemeinsam in den Club?«
    »Aber Paşa, da wäre ich Ihnen
doch nur eine Last!« Einen Augenblick hatte Cevdet tatsächlich gemeint, das sei
eine Einladung gewesen. Dann merkte er, dass sich der Paşa von ihm einfach
nicht unterhalten fühlte.
    »Ach was, von wegen Last!«
entgegnete der Paşa, aber überzeugend klang das nicht. In bekümmertem Ton
fuhr er fort: »Leute wie ich leben in diesem Alter doch nur noch fürs
Nichtstun. Ich mache mir keine Gedanken mehr, wie ich den Tag füllen soll.
Meine Erinnerungen genügen mir! Aber irgend jemandem muss man sie ja erzählen,
nicht? In Europa habe ich gesehen, dass die Leute sich hinsetzen und ihre
Erinnerungen aufschreiben. Daraus wird dann ein Buch oder eine
Fortsetzungsserie in der Zeitung. Aber hier? Wenn ich nur ein Wort hinschreiben
würde, hätte ich gleich den schlimmsten Ärger am Hals. Da lasse ich das schön
bleiben! Haha! Wir haben eben keine Freiheit hier, das ist es! Es leben die
Jungtürken!« Den letzten Satz hatte er etwas leiser gesagt. »Hm, mein Junge, du
mit deiner arglosen Art, was meinst du so, was man mit seinem Leben anfangen
soll? Aber davon verstehst du wohl nicht allzuviel, was? Machst ja nicht den
Eindruck, als würdest du schrecklich viel lesen! Sei mir nicht böse, ja?«
    »Aber ich bitte Sie, Paşa!«
sagte Cevdet schwitzend.
    »Schon gut, willst eben höflich zu
mir sein!« Der Paşa winkte ab. Leicht schwankend ging er nun im Zimmer hin
und her. »Du denkst dir wohl, na, der ist ganz schön betrunken. So hast du noch
nie einen Paşa gesehen, was? Wie oft hast du überhaupt schon mal mit einem
Paşa geredet? Woher kennst du Nedim Paşa?«
    »Er ist mal in meinen Laden
gekommen«, murmelte Cevdet.
    Ruckartig blieb der Paşa mitten
im Zimmer stehen. Er sah Cevdet an wie eine Küchenschabe. »Ein Kaufmann!«
flüsterte er. »Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Tochter einmal einem
Kaufmann geben würde. Und das noch dazu gern. Ich schätze dich sehr, Junge,
versteh mich nicht falsch. Wenn mir manchmal ein paar Grobheiten
herausrutschen, dann nur deshalb, weil du mir schon vertraut bist.« Sinnierend
stand er da, als würde ihm ein Gebet nicht mehr einfallen. »Warum ist es mit
uns so gekommen? Was soll das alles? Warum werden all die Anschläge begangen?
Jeder ist unserem Sultan heute feind!« Aus lauter Überdruss oder ganz einfach,
weil er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, sackte er auf das Sofa.
»Ich mag dich! Ich mag dich, weil du was von mir hast!«
    Cevdet war krampfhaft bemüht, das
Geschehen so normal wie möglich hinzunehmen. Er hätte etwas sagen sollen, das
wusste er, aber da ihm partout nichts einfiel, schwitzte er einfach nur.
    Der Diener kam wieder. »Die gnädige
Frau lässt ausrichten, sie werde nur kurz bei Naime bleiben. Sie nimmt auch die
Mädchen mit und ist bald wieder da.«
    »In Ordnung, sollen sie nur fahren!
Aber dass sie mir ja nicht zu spät heimkommt, sonst kann sie was erleben!«
    Der Diener ließ sich nichts
anmerken; die alkoholbedingten Ausfälle seines Herrn war er sichtlich gewöhnt.
»Soll ich jetzt den Tee servieren?« fragte er und setzte dazu ein so
verständnisvolles Lächeln auf, als sei er kein Lakai, sondern ein Freund.
    »Na bring ihn schon, worauf wartest
du? Aber zuerst will ich Kaffee. Du auch, mein Junge?«
    »Ich glaube, ich gehe jetzt lieber,
ich will Sie nicht länger belästigen.«
    »Was, du gehst schon? Nein, nein, so
leicht kommt man mir nicht aus. Oder warte mal: Habe ich dich vielleicht
gekränkt?«
    Cevdet sah nur vor sich hin.
    »Bleib sitzen! Ich mag dich, lass
dir das gesagt sein. Und du bist nicht der erste, der um ihre Hand anhält!« Er
stand auf. Zu dem Diener, der noch immer dastand, sagte er ungehalten: »Worauf
wartest du noch? Zwei Mokka mit Zucker!« Und zu Cevdet gewandt: »Du trinkst ihn
doch mit Zucker, oder?« Dann ging der Paşa wieder auf und ab. »Ich habe
wohl ein bisschen zuviel getrunken heute. Wollte es mir mal gutgehen lassen …
Jetzt warten wir auf die Kutsche, und dann fahren wir in den Club! Wo wollen
die noch mal hin? Ach ja, zu Naime. Und was machen sie da? Albern kichern, Tee
trinken und klatschen. Und dann reden sie von den Büchern, die sie gelesen
haben, und von Kleidern … Aus Frankreich soll eine Schneiderin eingetroffen
sein, die jetzt von

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