Cevdet und seine Soehne
entschuldigend als aufrichtig an.
Seyfı
Paşa fragte: »Quels livres lisez-vous, mon enfant?«
Cevdet wurde ganz aufgeregt, brachte
aber sogleich, wenn auch etwas abgehackt, eine Antwort heraus: »Monsieur, je
lis Balzac, Musset, Paul Bourget et …«
Seyfı Paşa unterbrach ihn:
»Ist doch gar nicht so schlecht, Ihr Französisch! Wenn Sie öfter reden, wird es
noch flüssiger!« Dann begann er,Şükrü Paşa über den neuesten
politischen Klatsch zu unterrichten.
Cevdet sah zu, wie ihm beim Erzählen
der Buckel immer mehr herausstand und sein Bart am Hemdkragen wetzte, und er
blickte auch auf den andächtig lauschenden ,Şükrü Paşa und dachte
daran, dass Nigân die Tochter eines der beiden Paşas war und dem anderen
zuvor die Hand geküsst hatte, und ihm wurde ganz unwohl dabei. »Das hätte nicht
so sein sollen. Irgend etwas ist hässlich daran. Ich bin besser als die!«
dachte er. Dann fiel ihm wieder ein, wie Nigân in die Kutsche gestiegen war.
Triumphierend empfand er, sie sei genau die Richtige für ihn. »Ja, ich bin
besser als die da. Ich bin fortschrittlicher, anständiger!« Fast schon fröhlich
stellte er fest, dass alles, was ihm in dem Raum angsteinflößend,
unverständlich und unerreichbar erschien, im Grund genommen lächerlich und
verdorben war. So sehr erregte ihn dieses Gefühl, dass er schon wieder
fürchtete, davon irgendwie befleckt zu werden. »Ich muss hier sofort weg!«
dachte er. Da kam der Diener mit dem Teetablett herein.
»Warum hast du denn keine Çörek dazu gebracht?« tadelte ihn
Şükrü Paşa. Dann patschte er seinem Freund aufs Knie und rief dazu aus:
»Also wie du erzählen kannst!«
Seyfı Paşa verzog das
Gesicht. Er wandte sich Cevdet zu und fragte ihn: »Wo wohnen Sie denn?«
»Wir werden in
Nişantaşı wohnen!«
»Nein, ich meine jetzt?« erwiderte
der Paşa unwirsch.
»In Vefa.« Erleichtert stellte
Cevdet fest, dass die Miene des Paşas sich sogleich wieder glättete. »Ich werde
mit Nigân in dem Haus in Nişantaşı wohnen!« dachte er. Er wollte
so schnell wie möglich seinen Tee trinken und das Haus verlassen.
Seyfı Paşa erging sich
jetzt in Auslassungen über das Attentat. Da die Geheimpolizei nicht sorgfältig
genug gearbeitet habe, seien der Polizeipräsident und die
Untersuchungskommission zur Rechenschaft gezogen worden. Großwesir Ferit
Paşa habe einem Bekannten Seyfı Paşas anvertraut, es sei eine
erste Spur gefunden worden, und zwar habe man das Nummernschild der Kutsche identifiziert,
in der die Bombe explodiert sei. Dann erzählte Seyfı Paşa, wer sich
unmittelbar nach dem Attentat heldenhaft und wer sich feige betragen habe. Die
beiden Paşas amüsierten sich köstlich über das Verhalten diverser
Angsthasen. Dann kamen sie auf das Schlamassel von Fehim Paşa und seiner
Mätresse Margaret zu sprechen. Şükrü Paşa rief nach seinem Diener, um
die Stimmung mit einem Cognac noch zu heben. Der Diener brachte die bauchigen
Cognacgläser, und die Paşas kamen wieder auf das unerschrockene Verhalten
Abdülhamits zu sprechen, auf das Glück, dass der Sultan vom Scheich ül-Islam
Cemalettin Efendi so lange aufgehalten wurde und so dem Attentat entging, und
auf die sechsundzwanzig Unglücklichen, die dabei ihr Leben verloren. Wieder
lachten sie darüber, wie feige sich manche Begleiter des Sultans in Deckung
geworfen hatten. Dann erzählte Seyfı Paşa eine Begebenheit aus seiner
Zeit als Gesandter in London.
»Einmal bekamen wir eine chiffrierte
Botschaft mit der Unterschrift Tahsins, des ersten Sekretärs: Es sollte ein
sprechender Papagei mit weißem Kopf und weißen Federn gekauft und unverzüglich
nach Istanbul geschickt werden … Ich geriet in Panik, als ich das las. Sofort
rief ich den Direktor des Londoner Zoos an, und von dem erfuhr ich, dass es sich
dabei um einen anderen Vogel handeln müsse. Also sagte ich zum zweiten
Sekretär: Schreiben Sie folgende Antwort: ›Es gibt keinen sprechenden
Papagei mit weißem Kopf und weißen Federn. Bei dem beschriebenen Tier dürfte es
sich um einen Kakadu handeln.‹ Der zweite Sekretär sagte daraufhin:
›Schicken wir doch einfach einen Kakadu, vielleicht merken sie den
Unterschied gar nicht.‹ Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen und rief:
›Wenn sie den Unterschied nicht kennen, dann sollen sie ihn eben kennenlernen!
Chiffrieren Sie mir sofort dieses Telegramm.‹«
Plötzlich stand Cevdet auf: »Ich
gehe jetzt, Paşa!«
»Hör dir doch die Geschichte noch
fertig an!« sagte Şükrü
Weitere Kostenlose Bücher