Cevdet und seine Soehne
ich den Mund nicht halten konnte!« Er lachte auf, wurde aber
gleich wieder ernst. »Dabei habe ich mich so bemüht, dem Sultan dienlich zu
sein!« Nach einer Pause sagte er: »Du weißt also nicht, wie über das Attentat
so geredet wird?«
»Nein!«
»Gut so! Und wenn du was weißt, dann
sag es keinem. Du wirst mein Schwiegersohn, und ich mag dich, deshalb gebe ich
dir einen Rat: Du darfst niemandem trauen! Vor allem nicht Menschen, die alles
hinausposaunen. Es herrscht nämlich eine seltsame Stimmung. Immer mehr junge
Leute sind revolutionär gesinnt. Ich weiß, du bist ein vorsichtiger Mensch und
lässt dich nicht so leicht mitreißen, aber pass trotzdem auf! Wenn du irgendwo
etwas siehst oder hörst, kannst du sicher sein, dass man dich früher oder
später mit hineinziehen will. Das darfst du nicht zulassen! Wenn du merkst,
dass es Leute mit bösen Absichten sind, die dich zur Sünde verführen wollen,
dann sag jemandem wie mir darüber Bescheid. Schau nur, wie es meinem Sohn
derzeit ergeht! Der fängt wohl gerade Feuer für solche Dinge. Er studiert
Medizin an der Militärhochschule. Donnerstags und freitags wimmelt es hier im
Konak von seinen Kommilitonen. Sie ziehen sich in sein Zimmer zurück und hocken
dort stundenlang rauchend und flüsternd zusammen. Und wenn ich ins Zimmer
platze, sagt keiner mehr ein Wort. Vor allem ein, zwei sind dabei, die schauen
mich immer ganz feindselig an. Na ja, es sind junge Leute, die sind voller
Eifer, dafür muss man Verständnis haben. Aber ob jeder dieses Verständnis
aufbringt? Mein Junge ist ziemlich naiv, der kennt nichts Böses. Aber wer wird
das zu schätzen wissen? Damit ihm nichts zustößt und keine Missverständnisse
aufkommen, schreibe ich manchmal an den Palast und schildere die Lage. Der
Junge ist ja so arglos und denkt sich nichts, und schon steckt er im schönsten
Schlamassel! So ist es doch, oder?«
»Ja, Paşa!«
»Du hast ja dein Glas noch gar nicht
ausgetrunken! Jetzt aber schnell, dann schenke ich dir wieder ein. Tja, der
Jüngere ist eben etwas naiv geraten. Was soll ich dir’s verheimlichen, die
Mutter meiner Söhne war zwar eine hübsche Frau, aber doch eher etwas
beschränkt. Die Mutter meiner Töchter dagegen ist intelligent, und hier im
Konak hat sie das Heft in der Hand. Der Jüngere also ist eher leichtgläubig,
doch mein Herz – das bleibt jetzt aber unter uns – hängt ohnehin mehr an dem
Großen. Ein richtiger Lebemann, ganz nach seinem Vater geraten! Er ist zwar nur
ein kleiner Beamter im Übersetzungsbüro der Regierung, aber zu leben versteht
er! Und darum mag ich ihn! Ein rechter Schürzenjäger ist er auch! Geht
überallhin, wo man sich amüsieren kann, nach Çamlıca, Kağithane, Beyoğlu … Er hat zahllose
Bekannte. Er kennt einfach jeden, und jeder kennt ihn und mag ihn auch, dabei
hat er keineswegs ein ungeniertes Wesen, sondern versteht sich zu benehmen. Du
musst eines wissen: Um als Beamter hochzukommen, genügt es nicht, fleißig und
intelligent zu sein, sondern man braucht vor allem gute Beziehungen. Wenn ich
ihn so sehe, muss ich an meine Jugend denken! Welcher Paşa ihn wohl unter
seine Fittiche nehmen wird? Das ist nämlich eine Grundvoraussetzung. Im
Geschäftsleben mag es möglich sein, einigermaßen unabhängig zu bleiben, doch in
der Politik, in diesem Staat, ist das gänzlich ausgeschlossen. Meine Zeit ist
vorbei. Man hat sich dreißig Jahre lang nicht meiner erinnert, da wird man es
auch fürderhin nicht tun. Ich sage mir immer, hoffentlich gerät er wenigstens
an einen guten Paşa!« Er lachte und füllte sein Glas wieder. »Wer von
einem schlechten Paşa unterstützt wird, versauert nur mit der Zeit! Dabei
liebt mein Junge das Leben doch so sehr!« Mit einemmal wurde der Paşa
ernst. »Er hatte eine Kutsche, die war ganz nach seinem Geschmack eingerichtet.
Und gezogen wurde sie nicht von zwei gleichen Pferden, sondern von einem
Grauschimmel und einem Rappen. Musste ich leider alles verkaufen, weil der
Unterhalt zu teuer war. Und das muss ich dir auch noch sagen: Auch dieses Haus
kommt mich teuer zu stehen. Nigân
hat sich an diesen Luxus gewöhnt. Da musst du aufpassen. Die Kutsche habe ich
schon verkauft, und als nächstes ist die Villa in Çamlıca an der Reihe …
Verstehst du, was ich meine?«
»Jaja, ich verstehe!«
»Gut so! Und ich verstehe auch!«
sagte Şükrü Paşa und lachte. »Unsere Zeit geht vorbei. Man hat es
gewagt, auf den Sultan ein Attentat zu verüben. Das Jungvolk wird
aufrührerisch.
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