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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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die
hinter Glas verschlossenen Sachen. »Aber wie soll ich an die rankommen?« Schon
als Kind hatte er seine Großmutter mit einem klimpernden Schlüsselbund
herumlaufen sehen. Er trat näher an das Buffet heran. »Der Schlüssel!« Zum
erstenmal kam ihm das Porzellan in der Vitrine in greifbarer Reichweite vor.
Den Schlüsselbund allerdings hatte er in den letzten Wochen
weder gesehen noch klimpern hören. »Aber sowieso: Die würden es ja merken! Und
die Schuld dann Emine geben oder sonst jemandem!«
    »Was macht denn der vor dem Buffet?«
fragte Nigân.
    Ahmet drehte sich um. »Ich schau
nur, Oma!« erwiderte er und dachte dabei: »Wahrscheinlich wirke ich schon
verdächtig!« Er sah zu Osman.
    »Dein Vater, weißt du, war ein
großer Mann!« sagte Nigân.
    »Wer?« fragte Ahmet skeptisch.
    »Na, dein Vater! Cevdet! Der hat
alles gegründet, die Firma, die Familie!« sagte Nigân und zwinkerte dabei mit
den Augen.
    Osman lächelte. Die Krankenschwester
erklärte Nigân, dass Ahmet nicht ihr Sohn, sondern ihr Enkel sei, aber sie
murmelte nur etwas vor sich hin.
    Da Ahmet sich am Morgen die Bücher
seines Vaters und den Schrank nicht richtig hatte ansehen können, ging er noch
mal in das Zimmer hinüber. Er musste wieder daran denken, dass sein Vater dort
zehn Jahre verbracht hatte und schließlich darin gestorben war. Er fand wieder
nichts Besonderes, nahm aber ein vom Landwirtschaftsministerium gedrucktes Buch
seines Vaters sowie einen Gedichtband Muhittin Nişancıs an sich. Um die beiden Bücher nicht
zum Essen mitnehmen zu müssen, brachte er sie hinauf in seine Mansarde.

6
  DAS ESSEN
    Um Viertel vor acht ging Ahmet die drei
Stockwerke hinunter und klingelte bei Cemil. Das Dienstmädchen öffnete die
Küchentür und eilte dann nicht, wie sie es bei den anderen machte, hinüber zur
richtigen Wohnungstür, um diese zu öffnen, sondern sie ließ Ahmet durch die
Küche hinein und lächelte dabei verschmitzt. Ahmet blieb dann auch erst einmal
in der Küche und trank ein Glas Wasser. Er besah sich, was es zu essen geben
würde, und wollte das eifrige Treiben in der Küche auf sich wirken
lassen, allein schon als Vorbereitung auf das, was ihn nebenan erwartete. Als
er den wie in einer Zeitungsreklame dastehenden Kühlschrank wieder zumachte,
dachte er: »Ja, ich bin Maler! Ich werde immer malen!« Dann ging er ins
Wohnzimmer.
    Dort kam ihm gleich seine Tante
Ayşe entgegen, als hätte sie schon auf ihn gewartet. »Ich wäre schon fast
zu dir hochgekommen! Bald heiratet die Tochter eines Freundes von uns, und der
wollten wir als Hochzeitsgeschenk ein Bild von dir kaufen.«
    »Aber Tantchen, das braucht ihr doch
nicht zu kaufen! Kommt einfach und sucht euch eins aus!«
    »Nein, nein, wir kaufen es!« Als sie
Ahmets ablehnende Miene sah, sagte sie: »Sonst nehmen wir gar keins!« Sie rief
ihrem Mann zu, der gerade an seinem Whisky nippte: »Remzi, er will uns das Bild
schenken!«
    Remzi saß mit Cemil, dem Hausherrn,
und mit Lâles Mann Necdet zusammen. Sie sahen Ahmet nachdenklich an und riefen
ihn zu sich. Das Zimmer war bereits stark verraucht. Auf einem Tisch standen Alkoholika
und Knabberzeug. Necdet wies Ahmet einen Platz neben sich zu.
    »Was willst du trinken?« fragte
Cemil. »Whisky? Gin Tonic?«
    »Nein danke, ich möchte nichts.«
    Verständnislos fragte Cemil weiter:
»Wein vielleicht? Rakı? Oder Orangensaft? Sagen wir, Orangensaft!« Und er
rief nach Lâle.
    »Na, Cousin, wie geht’s dir so? Du
lässt dich ja gar nicht mehr blicken bei uns!« Dass sie Cousins waren, betonte
er gerne.
    Ahmet murmelte etwas und hörte dann
den dreien zu. Necdet erzählte von seiner neuen Stereoanlage und wo genau er
die Lautsprecher aufgestellt hatte. Er fragte Remzi, ob das der ideale Platz
dafür sei, doch Remzi hatte Mühe, sich genau vorzustellen, wie es in Necdets
Wohnzimmer aussah, so dass sie beschlossen, Remzi und Ayşe müssten in den
nächsten Tagen einmal zum Essen kommen. Dann stellte Necdet Cemil eine
versicherungstechnische Frage, und auch Remzi gab seine Meinung dazu ab. Cemil
behauptete, sämtliche Tankwarte streckten ihr Benzin mit Wasser, und Necdet
fragte Cemil, wie er mit seinem neuen Transistorradio zufrieden sei. Remzi erzählte, kürzlich habe er in einem
Hotel in Ankara zum erstenmal ferngesehen, aber das Programm sei ihm noch sehr
stümperhaft vorgekommen, typisch türkisch eben. Ahmet nippte währenddessen an
dem Orangensaft, den Lâle ihm gebracht hatte. Er hörte, dass Necdets und Lâles
Sohn

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