Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
Sprüngen auf. Auch ihre Krallen verloren gelegentlich den Halt auf den Dachpfannen, und der Nebel ließ glitzernde Wasserperlen auf ihren Federn entstehen, ebenso wie in Cazarils Bart und seinen Haaren. Silbrige Pailletten aus Wasser funkelten auf seinem schwarzen Mantel. Das vierte Flügelfenster öffnete sich unter Cazarils tastenden Fingern. Dahinter lag tatsächlich die unbenutzte Abstellkammer, von der aus er aufgebrochen war. Er schlüpfte hinein und schlug vor seiner schwarz livrierten Eskorte das Fenster zu, gerade noch rechtzeitig, um eine Anzahl Vögel daran zu hindern, hinter ihm hineinzufliegen. Einer von ihnen prallte dumpf am Glas ab.
    Cazaril kroch die Treppe hinunter zu seinem Stockwerk, ohne einem Dienstboten über den Weg zu laufen, der zu früher Stunde unterwegs war. Er taumelte in sein Gemach und schloss die Tür hinter sich. Seine Blase drückte, sein ganzer Unterleib war verkrampft, und er benutzte den Nachttopf. Beängstigende Blutklümpchen kamen aus seinem Darm. Als er die Hände in der Waschschüssel wusch, zitterten sie. Er wollte das blutige Wasser in die Schlucht kippen und fegte mit dem aufschwingenden Fenster zwei stumm wachende Krähen vom steinernen Sims. Cazaril verschloss es sorgfältig wieder und schob den Riegel vor.
    Wie ein Betrunkener wankte er zu seinem Bett, ließ sich hineinfallen und wickelte die Decke um sich. Das Zittern hielt an. Er hörte die Bediensteten des Schlosses, wie sie Wasser oder Wäsche oder Geschirr umhertrugen. Schritte polterten die Treppen empor oder Gänge entlang; gelegentlich waren unterdrückte Rufe oder Anweisungen zu vernehmen.
    Wurde Iselle im oberen Stockwerk gerade geweckt, gewaschen und angekleidet, mit Perlenschnüren gebunden und mit Schmuck gefesselt für ihre grauenvolle Verabredung mit Dondo? Hatte sie überhaupt geschlafen? Oder hatte sie die ganze Nacht geweint und zu den tauben Göttern gebetet? Er sollte nach oben gehen und ihr so viel Trost anbieten, wie er zu geben vermochte. Hatte Betriz ein neues Messer besorgt? Ich kann es nicht ertragen, sie zu sehen! Er wickelte sich fester in seine Decke und schloss die Augen vor Qual.
    Cazaril lag immer noch im Bett und atmete in kurzen Stößen, die Schluchzern verdächtig ähnelten, als plötzlich Stiefeltritte durch den Flur hallten. Die Tür flog auf. Die Stimme von Kanzler dy Jironal knurrte: »Ich weiß, dass er es ist. Er muss es sein!«
    Die Schritte bewegten sich über die Dielen seines Gemachs, und seine Decke wurde fortgerissen. Er wälzte sich herum und starrte überrascht auf dy Jironals grauen Bart und in sein Gesicht, das zornig und verblüfft auf Cazaril herabblickte.
    »Ihr lebt!«, rief dy Jironal. Seine Stimme klang entrüstet.
    Ein halbes Dutzend Höflinge, unter denen Cazaril einige von Dondos Mordbuben wiedererkannte, drängten sich hinter dy Jironals, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Ihre Hände lagen auf den Griffen ihrer Schwerter, als wären sie darauf vorbereitet, die irrtümliche Lebendigkeit Cazarils auf dy Jironals Befehl hin zu korrigieren. König Orico stand im Hintergrund. Er war noch mit einem Nachthemd bekleidet und hielt in seinen fetten Fingern einen schäbigen, alten Mantel, den er sich um den Hals gelegt hatte. Orico sah … seltsam aus. Cazaril blinzelte und rieb sich die Augen. Eine Art Aura umgab den König, nicht aus Licht, sondern aus Dunkelheit. Cazaril konnte ihn deutlich erkennen; demnach war die Erscheinung weder eine Wolke noch Dunst, denn sie behinderte seine Sicht nicht. Und doch war sie da und folgte dem König wie ei ne Schleppe.
    Dy Jironal biss sich auf die Lippen, und seine Blicke bohrten sich in Cazarils Gesicht. »Wenn Ihr es nicht wart, wer dann? Es muss jemand sein … es muss jemand sein, der der Prinzessin nahe steht … das Mädchen! Diese schmutzige kleine Mörderin!« Er wirbelte herum und stürmte hinaus. Schroff bedeutete er seinen Männern, ihm zu folgen.
    »Was ist los?«, wollte Cazaril von Orico wissen, der sich schon umgewandt hatte, um den anderen zu folgen.
    Orico blickte über die Schulter, breitete die Hände aus und zuckte die Achseln, in einer ausholenden, verwirrten Geste. »Keine Hochzeit heute. Dondo dy Jironal wurde ermordet … gegen Mitternacht … mit einem Todeszauber!«
    Cazaril öffnete den Mund, brachte aber nur ein schwaches »Oh« hervor. Benommen sank er zurück, während Orico hinter seinen Kanzler herschlurfte.
    Das verstehe ich nicht.
    Wenn Dondo getötet wurde und ich noch lebe … dann kann

Weitere Kostenlose Bücher