Chalions Fluch
Wärmepfanne mit heißen Kohlen und eine Federdecke. Einige Minuten später erschien ein Diener mit einem Krug warmen Wassers und der strikten Anweisung, Cazaril zu waschen und in trockenen Nachtgewändern zurück ins Bett zu stecken. Und das alles in einer Burg, die sich in Aufruhr befand, weil sich jeder Höfling und jede Dame auf einen ungeplanten öffentlichen Auftritt von äußerster Förmlichkeit vorbereitete. Cazaril ließ die Fürsorge über sich ergehen. Gerade hatte der Diener ihn wieder sauber in die heiße, trockene Hülle seiner Bettwäsche verpackt, als Betriz mit einer Porzellanschüssel auf einem Tablett zurückkehrte. Sie hielt die Tür offen und setzte sich auf die Bettkante.
»Esst das.«
Es war Brot, in heiße Milch eingebrockt und mit Honig gewürzt. Überrascht und verständnislos ließ Cazaril sich einen Löffel voll in den Mund schieben; dann richtete er sich mühsam auf den Kissen auf. »So krank bin ich nicht!« Er versuchte, seine Würde zurückzugewinnen, und nahm ihr die Schüssel aus der Hand. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, solange er nur aß. Er stellte fest, dass er regelrecht ausgehungert war. Als er zu Ende gegessen hatte, hörte das Zittern auf.
Betriz lächelte zufrieden. »Ihr habt wieder ein wenig Farbe gewonnen. Gut.«
»Wie geht es der Prinzessin?«
»Viel besser. Sie ist zusammengebrochen, aber bei Bewusstsein. Es war die Erleichterung, wenn unerträglicher Druck plötzlich von einem genommen wird. Es ist eine Freude, sie jetzt anzusehen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Betriz nickte. »Sie ruht sich jetzt aus, bis es an der Zeit ist, sich anzukleiden.« Sie nahm ihm die leere Schüssel ab, stellte sie beiseite und senkte die Stimme. »Cazaril, was habt Ihr letzte Nacht getan?«
»Nichts, wie Ihr sehen könnt.«
Er sah, wie sie sich verzweifelt auf die Lippen biss. Doch was hätte es für einen Sinn gehabt, ihr jetzt noch die Bürde seines Geheimnisses aufzulasten? Ein Geständnis mochte sein Gewissen erleichtern, doch es brächte sie in Gefahr, sollte irgendeine nachfolgende Untersuchung eine beeidete Aussage von ihr erfordern.
»Lord dy Rinal hat gehört, dass Ihr gestern Nacht einen Pagen bezahlt habt, dass er eine Ratte für Euch fängt. Es war diese Nachricht, die Kanzler dy Jironal hinauf in Euer Schlafgemach stürmen ließ, erzählte mir dy Rinal. Dem Pagen zufolge habt Ihr die Ratte zum Essen gewollt!«
»Und wenn schon. Es ist kein Verbrechen, eine Ratte zu essen. Es war ein kleines Festmahl, zum Gedächtnis an die Belagerung von Gotorget.«
»Ach? Habt Ihr nicht eben noch erzählt, dass Ihr seit gestern Morgen nichts mehr gegessen habt?« Sie zögerte kurz und blickte besorgt. »Das Zimmermädchen berichtete auch, dass Blut in Eurem Nachttopf war, als es ihn heute Morgen geleert hat.«
»Bei den Dämonen des Bastards!« Cazaril, der sich wieder unter seine Decken zurückgezogen hatte, kämpfte sich erneut darunter hervor. »Macht der Burgtratsch denn vor gar nichts Halt?«
Sie streckte die Hand aus. »Lord Caz, treibt keine Scherze. Wie krank seid Ihr wirklich?«
»Ich hatte Leibschmerzen. Inzwischen haben sie nachgelassen. Nur auf dem Durchmarsch, sozusagen.« Er verzog das Gesicht und beschloss, seine Halluzinationen unerwähnt zu lassen. »Das Blut im Nachttopf stammt von der geschlachteten Ratte, wie man sich denken kann. Und die Bauchschmerzen sind die verdiente Strafe dafür, dass ich eine solch ekelhafte Kreatur verzehrt habe. Nicht wahr?«
Langsam erwiderte sie: »Das ist eine gute Geschichte. Alles fügt sich ineinander.«
»Na bitte.«
»Aber Caz … die Leute werden Euch für merkwürdig halten!«
»Dann können sie sich mit denen zusammentun, die mich für einen Mädchenschänder halten. Vermutlich brauche ich noch eine dritte Perversion, um wirklich im Gleichgewicht zu sein.« Wie wäre es zum Beispiel mit dem Verdacht des versuchten Todeszaubers? Damit könnte er dann gleich an einem Galgen nach seinem Gleichgewicht suchen.
Sie lehnte sich zurück und betrachtete ihn missbilligend. »Also gut. Ich werde Euch nicht weiter bedrängen. Ich habe mich nur gefragt …« Sie schlang die Arme um den Körper und musterte ihn eindringlich. »Nur mal angenommen … wenn zwei Personen zur gleichen Zeit dasselbe Opfer mit einem Todeszauber belegen wollen, könnten sie dann am Ende beide halb tot sein?«
Cazaril starrte sie an. Nein, sie sah nicht krank aus! Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn man daran
Weitere Kostenlose Bücher