Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
den Hof, während der kalte, feuchte Tag in einen dunstigen Abend überging. Ein leichter Veilchenduft lag in der Luft, durchsetzt von einer eigentümlichen Mischung von unterschiedlichstem Räucherwerk, das während der Gebete und Reinigungsriten verbrannt wurde.
    Man hatte Dondos starren Leib mit den blauen und weißen Gewändern bekleidet, die seinem Rang als Großmeister des Ritterordens der Tochter zukamen. Der Tote lag ausgestreckt auf der Bahre, inmitten von Blumen und Kräutern, die Glück und symbolischen Schutz bringen sollten – zu spät, dachte Cazaril. Das seinem Rang gemäße Schwert lag blank gezogen auf Dondos Brust; seine Hände umschlossen den Griff. Der Körper wirkte nicht sonderlich geschwollen oder unförmig – dy Rinal verbreitete flüsternd das grausige Gerücht, dass der Tote vor dem Ankleiden straff mit Leinenbinden umwickelt worden war. Das Gesicht des Leichnams war kaum mehr geschwollen, als man es von Dondos morgendlichen Katern gewöhnt war. Aber man würde ihn mitsamt seinen Ringen verbrennen müssen: Allenfalls mit Hilfe eines Schlachtermessers hätte man sie von den Wurstfingern lösen können.
    Trotz seiner Schwäche hatte Cazaril es geschafft, den Weg vom Zangre ohne Sturz zurückzulegen. Nun aber verkrampfte sich sein Magen wieder und blähte sich unangenehm gegen den Gürtel. Er suchte sich einen Platz, den er für unauffällig hielt, und stellte sich hinter Betriz und Nan in die Menge der Schlossbewohner. Iselle wurde weggeführt und zwischen dem Kanzler und König Orico platziert, auf dem Platz einer nahen Hinterbliebenen, die ihre kurze Verlobungszeit ihr eingebracht hatte. Für Cazarils schmerzende Augen schimmerte sie noch immer wie ein Polarlicht. Ihr Antlitz war bleich und ernst. Der Anblick von Dondos Leichnam hatte ihr offenbar jegliches Verlangen genommen, unziemliche Freude zur Schau zu stellen.
    Zwei Höflinge traten vor und hielten scheinbar von Herzen kommende Lobreden auf Dondo, doch Cazaril vermisste den Bezug zum launenhaften Leben des hier aufgebahrten Mannes. Kanzler dy Jiro nal war zu mitgenommen, um lange zu reden; ob a ber vor Trauer oder aus Zorn oder wegen beidem, war unter der stahlharten Oberfläche kaum zu erkennen. Er setzte eine Belohnung von tausend Royals für jeden Hinweis aus, der den Mörder seines Bruders entlarvte. Das blieb an diesem Tag die einzige Anspielung auf die abrupte Art und Weise von Dondos Ableben.
    Es war offensichtlich, dass am Altar des Tempels eine beträchtliche Spende hinterlegt worden war. Sämtliche Laienbrüder und Schwestern, Akolythen und Geistliche von Cardegoss schienen in Scharen aufmarschiert zu sein, um in Einklang und Wohlklang die Gebete und Antworten zu singen, als wäre zusätzlicher Segen allein durch Lautstärke zu erlangen. Eine der Sängerinnen – in der grün berobten Gruppe der Altisten – war für Cazarils inneres Auge sichtbar. Sie war mittleren Alters, pummelig, und leuchtete wie eine Kerze hinter grünem Glas. Einmal schaute sie direkt zu Cazaril; dann blickte sie zur Seite auf den geplagten Geistlichen, der ihre Gebete leitete.
    Cazaril stieß Nan an und flüsterte: »Wer ist diese Akolythin am Ende der zweiten Reihe im Chor der Mutter? Kennt Ihr sie?«
    Sie blickte in die angegebene Richtung. »Eine der Hebammen der Mutter. Wenn ich mich recht erinnere, gilt sie als besonders befähigt.«
    »Oh.«
    Als man die heiligen Tiere heranführte, wurde die Menge aufmerksam. Es war in keinster Weise sicher, welcher Gott sich der Seele von Dondo dy Jironal annehmen würde. Sein Vorgänger im Amt des Großmeisters der Tochter war sowohl Vater wie auch Großvater gewesen, und doch hatte die Frühlingsherrin, in deren Diensten er so lange gestanden hatte und gestorben war, sogleich seine Seele beansprucht. Dondo selbst hatte in seiner Jugend im Ritterorden des Sohnes als Offizier gedient. Es war bekannt, dass er eine ganze Anzahl unehelicher Kinder gezeugt hatte – ebenso wie zwei abgelehnte Töchter zusammen mit seiner verstorbenen ersten Frau, die bei Verwandten auf dem Lande aufwuchsen. Unausgesprochen blieb der Gedanke, dass der Todesdämon des Bastards seine Seele davongetragen hatte und diese daher gewiss auch durch die Hände des Bastards gegangen war. Hatten diese Hände sich womöglich darum geschlossen?
    Die Akolythin, die den Eichelhäher der Tochter trug, trat auf ein Zeichen von Erzprälat Mendenal vor und hob ihr Handgelenk. Der Vogel bewegte sich auf und ab, klammerte sich aber störrisch an

Weitere Kostenlose Bücher