Chalions Fluch
denkt, wie oft schon vergebens versucht wurde, die Götter bei Todeszaubern zu überlisten, sollte so etwas inzwischen längst geschehen sein, wenn es möglich wäre. Der Todesdämon des Bastards wird in den Reliefs der Tempel stets mit einer Schultertrage abgebildet, und daran hängen zwei gleichartige Eimer – einer für jede Seele. Ich glaube nicht, dass der Dämon da eine andere Wahlmöglichkeit hat.« Umegats Worte kamen ihm in den Sinn: Ich fürchte, so ist es nun mal. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Gott eine Wahlmöglichkeit hat.«
Sie musterte ihn noch eindringlicher. »Ihr habt gesagt, wenn Ihr bis heute Morgen nicht zurück seid, sollten wir uns keine Sorgen um Euch machen und nicht nach Euch suchen. Ihr habt gesagt, dann wäre alles in Ordnung mit Euch. Und Ihr habt auch gesagt, wenn ein solcher Leichnam nicht ordentlich verbrannt wird, können schreckliche und unheimliche Dinge damit geschehen.«
Cazaril blickte unbehaglich drein. »Ich habe Vorsorge getroffen.« In gewisser Weise.
»Welche Vorsorge? Ihr seid davongeschlichen und habt niemanden erzählt, wo man nach Euch suchen kann – nicht einmal, ob man ein Gebet für Euch sprechen soll!«
Er räusperte sich. »Fonsas Krähen. In der vergangenen Nacht bin ich über die Dächer zu Fonsas Turm geklettert, um … äh, meine Gebete zu sprechen. Wenn es anders verlaufen wäre, hätten sie hinter mir aufgeräumt, hatte ich mir überlegt. Genau wie ihre Artgenossen auf dem Schlachtfeld aufräumen, oder wie sie ein totes Schaf beseitigen.«
»Cazaril!« Entrüstet schrie sie auf, dämpfte dann aber hastig ihre Stimme, bis sie beinahe flüsterte: »Caz, das ist … Wollt Ihr mir etwa erzählen, dass Ihr ganz alleine losgeklettert seid, um zu sterben, verlassen und in der Erwartung, dass Euer Körper den … das ist ja entsetzlich!«
Erschrocken bemerkte er, dass ihr Tränen in den Augen standen. »Nicht doch! So schlimm ist es nicht. Ich hielt es sogar für ziemlich soldatisch.« Er tastete nach den Tränen auf ihrer Wange, zögerte dann aber und ließ die Hand unverrichteter Dinge wieder auf die Decke fallen.
Sie ballte die Fäuste im Schoß. »Wenn Ihr jemals wieder so etwas tut, ohne es mir zu sagen – ohne es irgendjemandem zu sagen –, prügle ich den Verstand aus Euch heraus!« Sie rieb sich die Augen, dann das Gesicht, und setzte sich kerzengerade auf. Abrupt wechselte sie wieder in den Plauderton: »Die Bestattung wurde auf eine Stunde vor Sonnenuntergang angesetzt, beim Tempel. Werdet Ihr teilnehmen, oder bleibt Ihr im Bett?«
»Wenn ich gehen kann, werde ich dort sein. Ich werde bis zum Ende durchhalten. Jeder Feind Dondos wird anwesend sein, und sei es nur um zu beweisen, dass er es nicht gewesen ist. Es wird ein bemerkenswertes Ereignis!«
Die Begräbnisfeierlichkeiten für Dondo dy Jironal am Tempel von Cardegoss waren viel besser besucht als die des unglücklichen, einsamen dy Sanda. König Orico selbst, in schlichter Kleidung, führte die Trauernden an, die in einer ungeordneten Prozession vom Zangre her die Anhöhe hinabgingen. Königin Sara wurde in einer Sänfte getragen. Ihr Gesicht war so ausdruckslos, als wäre es aus einem Eisblock geschnitten, doch ihr Gewand war ein Aufschrei aus Farben, die Festkleidung dreier Feiertagen in einem bunten Wirrwarr; außerdem war sie mit der Hälfte des Inhalts ihres Schmuckkästchens behangen. Jeder gab vor, nichts davon zu bemerken.
Cazaril beäugte sie verstohlen, aber nicht wegen ihrer unpassenden Aufmachung. Es war ihr anderes Gewand, das an seinem innerem Auge zerrte: der Mantel aus Schatten, das sichtbar-unsichtbare Gegenstück zu dem von Orico. Auch Teidez trug eine solch dunkle Aura, die undeutlich jedem seiner Schritte die gepflasterten Straßen entlang folgte. Was für ein finsteres Trugbild das auch sein mochte, offenbar blieb es in der Familie. Cazaril fragte sich, was er sehen würde, könnte er jetzt einen Blick auf die Königinwitwe Ista werfen.
Der Erzprälat von Cardegoss selbst, in seinem fünffarbigen Talar, leitete die Feierlichkeiten. Es war derart überfüllt, dass der Ritus im Haupthof des Tempels stattfand. Eine Prozession aus dem Palais der Jironals brachte die Bahre mit Dondos Leichnam heran; dann wurde sie einige Schritte vor dem gottgeweihten Herd abgestellt, einer runden Steinplattform, auf der ein durchlöchertes Dach aus Kupfer auf fünf schlanken Säulen ruhte und das heilige Feuer vor den Elementen behütete. Diffuses graues Licht erfüllte
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