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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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ihren Ärmel. Die Frau schaute zum Erzprälaten auf, der ein ernstes Gesicht machte und kurz in Richtung der Bahre nickte. Die Nasenflügel der Frau bebten in dezentem Widerspruch, aber sie trat gehorsam weiter vor, fasste den Eichelhäher mit beiden Händen und setzte ihn nachdrücklich auf die Brust des Toten.
    Der Eichelhäher hob den Schwanz, ließ einen Klecks Vogeldreck fallen und flatterte mit durchdringendem Kreischen und wehenden, bestickten seidenen Fußbändern auf. Drei, vier Männer in Cazarils unmittelbarer Nähe prusteten, wagten angesichts des verbissenen Gesichtsausdrucks des Kanzlers jedoch nicht, laut aufzulachen. Iselles Augen funkelten wie himmelblaue Flammen, und schüchtern senkte sie ihren Blick. Ihre Aura waberte.
    Die Akolythin trat zurück, legte den Kopf in den Nacken und verfolgte aufmerksam den Flug des Vogels. Der Eichelhäher landete schließlich auf den Ornamenten am Kapitell einer der Porphyrsäulen, die den Hof umstanden. Dann kreischte er erneut. Die Akolythin schaute den Erzprälaten an. Der winkte sie hastig fort, und sie verbeugte sich und ging davon, um den Vogel zurück auf ihre Hand zu locken.
    Auch der grüne Vogel der Mutter weigerte sich, den Arm seiner Trägerin zu verlassen. Erzprälat Mendenal wiederholte das vorhergegangene, katastrophale Experiment nicht, sondern nickte der Akolythin lediglich zu. Sie brachte ihren Vogel zurück auf seinen Platz im Kreis der heiligen Tiere.
    Der Akolyth des Sohnes zerrte den Fuchs an seiner Kette bis zum Rand der Bahre. Das Tier winselte und jaulte, und die schwarzen Krallen kratzten lautstark auf den Pflastersteinen, als es zu entkommen versuchte. Der Erzprälat ließ ihn zurücktreten.
    Der stämmige graue Wolf, der keinen Maulkorb trug, saß auf den Hinterläufen, ließ die Zunge hervorhängen und stieß ein tiefes Grollen aus, als sein Führer in der grauen Robe die silberne Kette andeutungsweise hob. Der Laut klang über den steinernen Hof. Dann legte der Wolf sich mit dem Bauch aufs Pflaster und streckte die Pfoten aus. Hastig senkte der Akolyth die Hände und trat zurück. Stumm schrie sein Blick dem Erzprälaten zu: Ich tue gar nichts! Mendenal widersprach dem nicht.
    Erwartungsvoll richteten sich alle Augen auf die weiß gekleidete Akolythin des Bastards und ihre weißen Ratten. Kanzler dy Jironals Lippen waren fest aufeinander gepresst und bleich vor ohnmächtigem Zorn, doch es gab nichts, das er tun oder sagen konnte. Die weiße Dame holte Luft, trat vor bis an die Bahre und senkte ihre geheiligten Geschöpfe auf Dondos Brust, um anzuzeigen, dass der Gott die verschmähte, aussortierte, ungewollte Seele willkommen hieß.
    Im selben Augenblick, da ihre Hände die seidigen weißen Körper losließen, sprangen die Ratten zu beiden Seiten der Bahre davon, als würden sie von Katapulten abgeschossen. Die Akolythin duckte sich erst nach rechts, dann nach links, als könne sie sich nicht entscheiden, welchem ihrer beiden geheiligten Schutzbefohlenen sie als Erstes nachjagen sollte. Dann schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. Eine der Ratten huschte in die Sicherheit der Säulen. Die andere flitzte in die Menge der Trauernden entlang des Weges. Einige Hofdamen kreischten. Ein erstauntes, ungläubiges und bestürztes Raunen lief durch die Reihen der versammelten Höflinge und Damen, gefolgt von einem entsetzten Flüstern.
    Betriz schloss sich an. »Cazaril?«, fragte sie besorgt und drängte nach hinten zu ihm. »Was bedeutet das?«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Der Bastard nimmt sich immer der Übriggebliebenen an. Immer! Das ist Seine, Seine … es ist Seine Aufgabe. Er muss die Seelen nehmen … und ich dachte, Er hätte es bereits getan!«
    Auch Cazaril war verdutzt. »Wenn kein Gott Lord Dondos Seele aufgenommen hat, ist sie immer noch auf dieser Welt. Ich meine, wenn sie nicht dort ist, dann muss sie hier sein. Irgendwo …« Ein ruheloser Geist, ein Wiedergänger. Losgerissen und verdammt.
    Die Zeremonien wurden unterbrochen. Der Erzprälat und Kanzler dy Jironal zogen sich hinter den heiligen Herd zurück, zu einer geflüsterten Unterhaltung – vielleicht auch zu einem Streit, dem abrupten Ansteigen und Leiserwerden der gedämpften Worte nach zu urteilen, die der neugierig wartenden Menge zugetragen wurden. Der Erzprälat kam für einen Moment hinter dem Herd zum Vorschein und rief einen Akolythen des Bastards zu sich; nach weiterem Geflüster entfernte sich der weiß gekleidete junge Mann im Laufschritt. Der graue

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