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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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setzte sich auf. »Orico … ist krank?«
    »Ja. Seht Euch vor, das ist ein Staatsgeheimnis, auch wenn es inzwischen für jeden offensichtlich geworden ist, der sehen und ein wenig nachdenken kann. Aber dennoch …« Umegat legte in einer Geste des Schweigens einen Finger auf die Lippen.
    »Ich dachte, die Mutter und die Tochter wären für Heilung zuständig.«
    »Ja, wenn die Krankheit des Königs auf natürliche Ursachen zurückzuführen wäre.«
    »Dann sind es bei ihm unnatürliche Ursachen?« Cazaril blinzelte. »Der dunkle Mantel … könnt Ihr ihn auch sehen?«
    »Ja.«
    »Aber auch Teidez hat diesen Schatten, und Iselle – und auch Königin Sara ist damit belastet. Was ist das für eine böse Sache, dass Ihr auf der Straße nicht darüber sprechen wolltet?«
    Umegat setzte seinen Becher ab, zog an seinem bronze-grauen Zopf und seufzte. »Das alles geht zurück auf Fonsa den Halbwegs-Weisen und den Goldenen Heerführer. Was für Euch, nehme ich an, eine Geschichte und Historie zugleich ist. Nun, ich habe in jenen verzweifelten Zeiten gelebt.« Er hielt kurz inne; dann fügte er beiläufig hinzu: »Einmal habe ich den Heerführer sogar gesehen. Ich war damals als Spion in seinem Fürstentum. Ich verabscheute alles, für das er stand, und dennoch … wenn er mich angesprochen hätte, nur mit einem einzigen Wort, wäre ich ihm womöglich auf Knien hinterhergekrochen. Er war nicht nur von einem Gott berührt worden. Er war dessen Fleisch gewordene Verkörperung und hielt mit großen Schritten auf den Dreh- und Angelpunkt der Welt zu, als Fonsa und der Bastard ihn zu Fall brachten.« Umegats Blick war nach innen gerichtet, und seine kultivierte Stimme war angesichts der damaligen Erlebnisse leiser geworden, und Ehrfurcht schwang darin mit. Er wanderte durch die Tiefen seines Gedächtnisses. Dann kehrte sein Blick aus der verlorenen Vergangenheit zu Cazaril zurück, und er lächelte.
    Mit dem Daumen nach oben streckte er die Hand aus und ließ sie von der einen Seite zur anderen wippen. »Der Bastard ist der Schwächste aus Seiner Familie, aber er ist der Gott des Gleichgewichts. Das Gegenstück, das der Hand den Halt gibt. Es heißt, wenn jemals ein Gott alle anderen aufnimmt, wird die Wahrheit einzig, einfach und vollkommen, und die Welt wird in einem Lichtblitz vergehen. Einige Menschen finden diese Vorstellung sogar recht anziehend. Ich persönlich finde sie grauenvoll, aber ich hatte schon immer einen schlechten Geschmack. In der Zwischenzeit allerdings geht der Bastard umher, der nicht an einen festen Platz gebunden ist, und bewahrt uns alle.« Der Reihe nach berührten alle Finger Umegats, Tochter-Mutter-Sohn-Vater – den Ballen seines Daumens.
    Er fuhr fort: »Der Goldene Heerführer war eine Flutwelle des Schicksals, die sich anschickte, über die Welt hereinzubrechen. Fonsas Seele konnte die seine aufwiegen, nicht aber seine gewaltige Bestimmung ausgleichen. Als der Todesdämon ihrer beider Seelen aus der Welt forttrug, floss diese Bestimmung gleichsam über und verteilte sich über Fonsas Nachkommen – ein Miasma aus Unglück und verborgener Bitterkeit. Der schwarze Schatten, den Ihr seht, ist das unerfüllte Schicksal des Goldenen Heerführers, das um die Leben seiner Feinde geronnen ist. Sein Todesfluch, wenn man es so nennen will.«
    Cazaril fragte sich, ob das auch der Grund war, weshalb sämtliche Feldzüge Ias’ und Oricos, an denen er jemals teilgenommen hatte, so ungünstig verlaufen waren.
    »Wie … wie kann man den Fluch aufheben?«
    Umegat seufzte. »In sechs Jahren habe ich keine Antwort auf diese Frage gefunden. Vielleicht wird er vergehen, wenn sämtliche Nachkommen Fonsas gestorben sind.«
    Aber das heißt … der König, Teidez … Iselle!
    »Vielleicht aber«, fuhr Umegat fort, »wird er selbst dann fortbestehen und durch die Zeiten rinnen wie ein Fluss aus Gift. Schon vor Jahren hätte er Oricos Tod herbeigeführt. Das Beisammensein mit den heiligen Tieren bewahrt Orico vor dem Verfall, den der Fluch mit sich bringt, doch immer nur für kurze Zeit. Die Menagerie verzögert seine Vernichtung, aber der Gott hat mich niemals wissen lassen, weshalb das so ist.« Umegats Stimme klang bedrückt. »Die Götter verschicken keine schriftlichen Weisungen, nicht einmal an ihre Heiligen, auch wenn ich es in meinen Gebeten vorgeschlagen habe. Ich habe stundenlang dagesessen, während die Tinte auf meiner Schreibfeder trocknete, und mich ganz Seinem Willen überantwortet. Und – was hat Er mir

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