Chalions Fluch
Kirche für weitere Bestattungsriten und Gebete zu bezahlen. Die einen dem Toten zuliebe, die anderen zu ihrem Schutz.«
»Ich bin sicher«, merkte Cazaril ein wenig bitter an, »dass Dondo alle Gebete bekommt, die man für Geld kaufen kann.«
»Das hoffe ich auch.«
»Warum? Was …?« Was siehst du? Was weißt du?
Umegat hob den Blick und atmete tief ein. »Der Todesdämon hat Dondos Seele genommen, aber sie nicht den Göttern ausgehändigt. So viel wissen wir. Ich vermute nun, dass der Todesdämon nicht zu seinem Herrn zurückkehren konnte, weil er daran gehindert wurde, die zweite, ausgleichende Seele an sich zu nehmen.«
Cazaril befeuchtete seine Lippen. Ängstlich und mit rauer Stimme fragte er: »Wie meint Ihr das – gehindert?«
»In dem Augenblick, in dem er es versuchte, wurde der Dämon meiner Ansicht nach gefangen – gezwungen, gebunden, wenn man so will – von einem zweiten, gleichzeitigen Wunder. Den unterschiedlichen Farben nach zu urteilen, die Ihr ausstrahlt, nehme ich an, dass die heilige und gütige Frühlingsherrin dafür verantwortlich ist. Wenn ich Recht habe, können die Akolythen im Tempel allesamt wieder ruhig schlafen, denn Dondos Geist geht nirgends um. Er ist an den Todesdämon gebunden, der wiederum an den Aufenthaltsort der zweiten Seele gebunden ist – die wiederum derzeit an ihren immer noch lebendigen Körper gebunden ist.« Umegat hob einen Finger und zeigte auf Cazaril. »Dort.«
Cazaril fiel die Kinnlade herab. Er blickte auf seinen schmerzenden, aufgetriebenen Leib, und dann wieder zurück auf den faszinierten Heiligen. Kurz wurde er an Fonsas Krähen erinnert. Heftige Ablehnung wallte in ihm auf, wurde jedoch zurückgehalten durch den Anblick von Umegats reiner Aura, die sein inneres Auge ihm zeigte.
»Ich habe letzte Nacht aber nicht zur Tochter gebetet!«
»Irgendjemand hat es.«
Iselle.
»Die Prinzessin sagte, sie habe gebetet! Habt Ihr sie gesehen, so wie ich sie heute sah …« Cazaril machte einige hilflose Gesten mit seinen Händen, da er nicht wusste, mit welchen Worten er diese brodelnde Störung beschreiben sollte. »Ist es das, was Ihr auch in mir seht? Sieht Iselle mich ebenso, wie ich sie sehe?«
»Hat sie etwas davon gesagt?«, fragte Umegat.
»Nein. Aber ich auch nicht.«
»Als Ihr auf den Inseln der Roknari wart, habt Ihr da jemals die Nächte erlebt, in denen das Meer von der Mutter berührt wird?«, wollte Umegat wissen. »Wenn das Kielwasser zwischen den Wellen, die ein vorbeifahrendes Schiff macht, grün aufglüht?«
»Ja.«
»Was Ihr bei Iselle gesehen habt, war ein solches Kielwasser. Der Durchgang der Tochter, wie der Geruch eines Duftwassers, der noch in der Luft schwebt. In Euch aber erkenne ich keinen Durchgang, sondern eine Anwesenheit. Einen Segen. Sehr viel intensiver. Eure Korona verblasst allmählich. In zwei, drei Tagen dürftet Ihr die heiligen Tiere nicht mehr so sehr mitreißen. Aber im Zentrum befindet sich ein massiver blauer Kern aus saphirfarbenem Glühen, den mein inneres Auge nicht zu durchdringen vermag. Ich glaube, es ist eine Ummantelung.« Er legte die gewölbten Hände aufeinander, als würde er eine lebende Spinne darin festhalten.
Cazaril schluckte und schnappte nach Luft. »Wollt Ihr damit sagen, die Göttin hat meinen Bauch zu einem kleinen Vorhof der Hölle umfunktioniert? Ein Dämon und eine verlorene Seele, zusammen eingeschlossen wie zwei Schlangen in einem Glas?« Er krallte die Hände in seinen Leib, als wollte er sich die Eingeweide herausreißen. »Und das nennt Ihr einen Segen?«
Umegats Augen blieben ernst, auch wenn seine Brauen sich voller Mitgefühl hoben. »Nun, was ist ein Segen schon anderes als ein Fluch aus anderer Sicht? Wenn es Euch ein Trost ist: Ich könnte mir vorstellen, dass Dondo dy Jironal über diese Entwicklung noch weit weniger glücklich ist als Ihr.« Nach einem gedankenvollen Schweigen fügte er hinzu: »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Dämon besonders erfreut darüber ist.«
»Bei den fünf Göttern!«, stieß Cazaril hervor. »Wie kann ich mich von diesem … Grauen befreien?«
Umegat hob beruhigend die Hand. »Ich schlage vor, Ihr übereilt das nicht. Es könnte zu Verwicklungen führen.«
»Was soll das heißen, Verwicklungen? Wie könnte irgendetwas verwickelter sein als diese Abscheulichkeit?«
»Nun …« Umegat lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aufeinander. »Der naheliegendste Weg, diesen … äh, Segen aus der Welt zu schaffen, wäre
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