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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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zukommen lassen? Eine überdrehte Krähe mit eingeschränktem Wortschatz!«
    Beim Gedanken an diese arme Krähe zuckte Cazaril schuldbewusst zusammen. Tatsächlich hatte er weit größere Gewissensbisse wegen der toten Krähe als wegen Dondo.
    »Das also mache ich hier«, beendete Umegat seine Erklärungen und schaute Cazaril interessiert an. »Und was macht Ihr hier?«
    Cazaril breitete hilflos die Hände aus. »Ich habe keine Ahnung!« Verzweifelt fügte er hinzu: »Könnt Ihr es mir nicht sagen? Ihr sagtet, ich würde leuchten. So wie Ihr? Wie Iselle? Oder gar wie Orico?«
    »So etwas wie Euch habe ich noch nie gesehen, seit mir das innere Auge geschenkt wurde. Wenn I selle eine Kerze ist, seid Ihr eine Feuersbrunst. Es ist … beängstigend, Euch anzuschauen.«
    »Ich fühle mich nicht wie eine Feuersbrunst.«
    »Wie fühlt Ihr Euch dann?«
    »In diesem Augenblick? Wie ein Misthaufen. Krank. Betrunken.« Er wirbelte den restlichen Rotwein auf dem Grund seines Bechers umher. »Ich habe Magenkrämpfe, die immer wieder auftreten und abklingen.« Im Moment war sein Bauch ruhig, aber immer noch aufgebläht. »Und ich bin müde. Ich habe mich nicht mehr so müde gefühlt, seit ich im Haus der Mutter in Zagosur krank darniederlag.«
    »Ich glaube«, sagte Umegat vorsichtig, »dass es sehr wichtig ist, dass Ihr mir nun die Wahrheit erzählt.«
    Seine Lippen lächelten immer noch, aber da war ein Feuer in seinen grauen Augen. In diesem Moment kam es Cazaril in den Sinn, dass ein guter Ermittler der Kirche wahrscheinlich freundlich und einnehmend war – und geschickt darin, sich während seiner Befragungen das Vertrauen der Leute zu erschleichen. Und sie betrunken zu machen …
    Du hast dein Leben aufgegeben. Es ist nicht angemessen, dass du nun darum winselst.
    »Letzte Nacht habe ich versucht, einen Todeszauber gegen Dondo dy Jironal zu wirken.«
    Umegat sah weder entsetzt noch überrascht aus, eher noch aufmerksamer als zuvor. »Aha. Und wo?«
    »In Fonsas Turm. Ich bin über die Dächer dorthin geklettert. Ich hatte eine Ratte dabei, aber die Krähe … sie kam zu mir. Sie hatte keine Angst. Ich hatte sie gefüttert.«
    »Erzählt weiter«, meinte Umegat atemlos.
    »Ich erstach die Ratte, und der armen Krähe brach ich den Hals, und ich betete auf den Knien. Und dann kam der Schmerz. Ich war nicht darauf vorbereitet. Ich bekam keine Luft mehr. Die Kerzen erloschen …« Er konnte nicht beschreiben, was er gefühlt hatte, einen seltsamen Frieden, als hätte er sich an einem sicheren Ort niedergelegt, wo er für immer Ruhe fände. »Und dann wurde ich ohnmächtig. Ich dachte, ich läge im Sterben.«
    »Und dann?«
    »Dann … nichts. Ich erwachte im Morgennebel, kalt und durchgefroren, und kam mir wie ein Narr vor. Das ist alles. Nein, wartet – ich hatte noch einen Albtraum von Dondo, wie er erstickt. Aber ich wusste, dass ich gescheitert war. Also kletterte ich zurück zu meinem Bett. Und dann stürmte auch schon dy Jironal herein …«
    Umegat klopfte eine Zeit lang mit den Fingern auf den Tisch und beäugte ihn aus zusammengekniffenen Augen. Dann schaute er mit geschlossenen Augen. Dann wieder mit offenen. »Herr, darf ich Euch berühren?«
    »Meinetwegen …«
    Als der Roknari sich über ihn beugte, befürchtete Cazaril für einen Moment eine unerwünschte Annäherung, die aus fleischlicher Lust geboren war, doch Umegats Griff war so geschäftsmäßig wie der eines Arztes: Stirn, Gesicht, Hals, Wirbelsäule, Herz, Bauch – Cazarils Muskeln spannten sich, doch Umegats Hand glitt nicht tiefer. Am Ende war Umegats Gesicht wie versteinert. Der Roknari ging zur Tür, holte dort aus einem Korb einen weiteren Weinkrug hervor und ging zu seinem Stuhl zurück.
    Cazaril versuchte, den Krug von seinem Becher fern zu halten. »Ich hab genug. Wenn ich noch mehr trinke, kann ich nicht mehr geradeaus laufen.«
    »Meine Helfer können Euch zurück auf Euer Gemach bringen. Nein? Also gut.« Umegat füllte stattdessen sein eigenes Trinkgefäß und setzte sich. Mit seinem Finger zog er kleine Muster übers Tischtuch, was er drei Mal wiederholte. Cazaril war nicht sicher, ob es ein Zauberspruch sein sollte, oder ob es bloß ein Anzeichen von Unsicherheit war. Endlich sagte der Roknari: »Dem Orakel der Tiere zufolge hat kein Gott die Seele von Dondo dy Jironal aufgenommen. Dies bedeutet für gewöhnlich, dass ein ruheloser Geist irgendwo in der Welt umgeht, und die Verwandten und Freunde – wie auch die Feinde – beeilen sich, die

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