Chalions Fluch
und einen Hocker zu ihren Knien heranzog.
»Hoheit?«, fragte er, und so behutsam er konnte setzte er sich. Der Magenkrampf der letzten Nacht war immer noch nicht abgeklungen und schickte Stiche durch seinen Leib, wenn er sich zu rasch bewegte.
»Keine Heirat ohne mein Einverständnis, allerdings auch nicht ohne das Einverständnis von dy Jironal, das hat er deutlich genug ausgesprochen! Sara hat es mir im Vertrauen gesagt: Nach dem Tod seines Bruders, aber noch bevor er auf der Suche nach dem Mörder aus Cardegoss fortgeritten ist, hat der Kanzler sich mit meinem Bruder hinter verschlossenen Türen beraten und ihn überredet, einen Nachtrag zu seinem Testament zu verfassen. Bei Oricos Tod wird der Kanzler die Regentschaft für meinen Bruder Teidez übernehmen …«
»Meines Wissens ist diese Übereinkunft schon seit einer ganzen Weile bekannt, Hoheit. Es wird auch ein Regentschaftsrat aufgestellt, der ihm zur Seite steht. Die Herzöge von Chalion würden niemals jemandem aus ihren Reihen so viel Macht einräumen, ohne ein Gegengewicht zu schaffen.«
»Ja, ja, das weiß ich alles, aber …«
»Der Testamentsnachtrag möchte den Regentschaftsrat doch nicht abschaffen, oder?«, fragte Cazaril in plötzlicher Besorgnis. »Das würde den Adel in Aufruhr versetzen.«
»Nein, in dieser Hinsicht bleibt alles beim Alten. Aber ich sollte bislang ein Mündel meiner Großmutter und meines Onkels werden, des Herzogs von Baocia. Doch jetzt komme ich unter die Vormundschaft von dy Jironal selbst! Und es gibt keinen Rat, um das zu kontrollieren! Und, Cazaril, hört mir zu: Der Zeitraum dieser Vormundschaft ist bis zum Tag meiner Hochzeit festgesetzt, und die Zustimmung zur Hochzeit liegt allein im Ermessen des Kanzlers! Wenn er will, kann er mich unverheiratet lassen, bis ich an Altersschwäche sterbe!«
Cazaril verbarg sein Unbehagen und hob beruhigend die Hand. »Bestimmt nicht! Er wird lange vor Euch an Altersschwäche sterben. Und schon vorher kann Teidez Euch mit einem königlichen Erlass freisetzen, sobald er den vollen Mannesstand erreicht und sämtliche Befugnisse eines Königs erhält.«
»Teidez’ Volljährigkeit wurde auf ein Alter von fünfundzwanzig festgelegt, Cazaril!«
Noch vor zehn Jahren hätte Cazaril ihre Entrüstung über diesen langen Zeitraum geteilt. Inzwischen hielt er es für ein gute Idee. Aber natürlich nicht, wenn dy Jironal in der Zwischenzeit die Zügel in der Hand behielt.
»Ich wäre dann fast achtundzwanzig!«
Zwölf weitere Jahre, in denen der Fluch auf sie wirken konnte, und in ihr … nein, das war in keiner Hinsicht wünschenswert.
»Er kann Euch jederzeit aus meinen Diensten entlassen!«
Ihr habt noch eine weitere Schutzherrin, die mich bisher nicht entlassen hat.
»Ich gebe zu, dass Ihr Grund zur Besorgnis habt, Hoheit, aber plagt Euch nicht mit den Schwierigkeiten, ehe sie da sind. Das alles spielt keine Rolle, solange Orico noch lebt.«
»Es geht ihm nicht gut, sagt Sara.«
»Er ist nicht in der besten Verfassung«, pflichtete Cazaril vorsichtig bei. »Aber er ist keinesfalls ein alter Mann. Er ist kaum älter als vierzig.«
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, empfand Iselle das schon als alt genug. »Es geht ihm sehr viel schlechter, als es den Anschein hat, sagt Sara.«
Cazaril zögerte. »Ist sie noch so gut mit ihm vertraut, dass sie das wissen kann? Ich dachte, sie wären einander entfremdet.«
»Ich verstehe die beiden nicht!« Iselle rieb sich die Augen. »O Cazaril, es stimmte, was Dondo mir erzählt hat! Als alles vorbei war, dachte ich, es wäre bloß eine abscheuliche Lüge gewesen, um mir Angst einzujagen. Sara wünschte sich so verzweifelt ein Kind, dass sie damit einverstanden war, es dy Jironal versuchen zu lassen, als Orico … nicht mehr konnte. Martou war nicht übel, meinte sie. Er war zumindest höflich. Erst als auch er sie nicht schwängern konnte, überredete sein Bruder ihn dazu, ihn miteinzubeziehen. Dondo war schrecklich – er fand Gefallen daran, sie zu demütigen. Und Orico wusste das! Er überredete Sara zu dieser Schandtat! Ich verstehe nichts davon, denn Orico hasst Teidez bestimmt nicht so sehr, dass er einen Bastard der dy Jironals an seine Stelle setzen möchte!«
»Nein.« Und ja. Ein Sohn von dy Jironal und Sara wäre kein Nachkomme von Fonsa dem Halbwegs-Weisen. Orico musste sich überlegt haben, dass ein solches Kind das Königtum von Chalion vom Todesfluch des Goldenen Heerführers befreien könnte. Eine verzweifelte, aber
Weitere Kostenlose Bücher