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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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knauserig und nutzen die Gelegenheiten, wo immer sie sich ihnen bieten.«
    »Wenn die Götter mir diesen Weg bereiten, was ist dann mit meinem freien Willen? Nein, das kann nicht sein.«
    »Ah!« Dieses heikle theologische Dilemma stimmte Umegat fröhlicher. »Zu dieser Art von Vorherbestimmung habe ich einige Gedanken entwickelt, die weder den Göttern noch den Menschen das ihre verweigern. Statt jeden einzelnen Schritt zu lenken, setzen die Götter vielleicht hundert oder tausend Cazarils und Umegats auf diesen Weg. Und nur diejenigen, die aus freiem Willen in die richtige Richtung gehen, kommen ans Ziel.«
    »Aber bin ich der Erste, der ankommt? Oder der Letzte?«
    »Nun«, meinte Umegat. »Der Erste seid Ihr jedenfalls nicht, so viel kann ich Euch versichern.«
    Cazaril nickte verstehend. Er dachte eine Zeit lang nach; dann sagte er unvermittelt: »Aber wenn die Götter Euch für Orico vorgesehen haben, und mich für Iselle – selbst wenn ich annehme, dass jemand da einen heiligen Fehler begangen hat –, wer wurde dann Teidez zum Schutz zur Seite gestellt? Sollten wir nicht zu dritt sein? Ein Abgesandter des Bruders, würde ich sagen, auch wenn ich nicht weiß, ob man ein Werkzeug, einen Heiligen oder einen Dummkopf erwarten sollte. Oder sind all die hundert vorherbestimmten Beschützer des Jungen nach und nach vom Weg abgekommen? Vielleicht ist der Richtige bisher noch gar nicht eingetroffen.« Ein anderer Gedanke raubte Cazaril den Atem. »Vielleicht war dy Sanda ja dafür vorgesehen.« Er beugte sich vor und barg das Gesicht in den Händen. »Ich schwöre, wenn ich noch länger hier bleibe und mich mit Euch über Theologie unterhalte, werde ich mich am Ende doch wieder bis zur Besinnungslosigkeit besaufen, damit meine Gedanken nicht immerzu in meinem Kopf umherwirbeln!«
    »Trunksucht ist in der Tat ein recht verbreitetes Laster unter Geistlichen«, sagte Umegat.
    »Allmählich verstehe ich den Grund dafür.« Cazaril legte den Kopf in den Nacken, um den letzten Tropfen Tee zu erhaschen, der bereits kalt geworden war. Dann setzte er die Tasse ab. »Umegat … wenn ich mich bei allem, was ich tue, jetzt nicht nur fragen muss, ob es klug und richtig ist, sondern auch noch, ob es das ist, was man von mir erwartet – dann werde ich verrückt! Am Ende werde ich nur noch in der Ecke kauern und überhaupt nichts mehr zu unternehmen wagen, außer vielleicht, vor mich hin zu brabbeln und zu schluchzen.«
    Umegat kicherte – grausam, wie Cazaril fand –; dann aber schüttelte der Heilige den Kopf: »Ihr könnt die Götter nicht überlisten. Wählt den tugendhaftesten Weg, wenn Ihr ihn erkennen könnt, und vertraut darauf, dass die Pflichten, vor die Ihr gestellt werdet, auch die sind, denen Ihr Euch stellen sollt. Und dass die Begabungen, die Ihr vorzuweisen habt, auch diejenigen sind, mit denen Ihr den Göttern zu Diensten sein könnt. Vertraut darauf, dass die Götter nichts von Euch einfordern, was sie Euch zuvor nicht auch geschenkt haben. Nicht einmal Euer Leben.«
    Cazaril rieb sich übers Gesicht und atmete tief ein. »Dann sollte ich meine Bemühungen darauf richten, Iselles Heirat zu fördern und sie auf diese Weise dem Einfluss des Fluchs entziehen. Ich muss auf meinen Verstand vertrauen – warum sonst hätte die Göttin einen Mann der Vernunft als Beschützer für Iselle auserkoren?« Er hielt kurz inne und murmelte vor sich hin: »Zumindest war ich einst ein vernünftiger Mann …« Er nickte, sehr viel entschlossener, als er sich fühlte. Dann schob er seinen Stuhl zurück. »Betet für mich, Umegat.«
    »Das tue ich immerzu, Herr.«
     
    Es wurde bereits dunkel, als Lady Betriz mit einem Kienspan in Cazarils Schreibstube kam, eine Weile auf und ab ging und die Kerzen in den glasgeschützten Leuchtern entzündete. Cazaril lächelte und nickte ihr dankend zu. Sie erwiderte das Lächeln und blies den Anzünder aus; dann aber wartete sie und kehrte noch nicht in die Frauengemächer zurück. Cazaril fiel auf, dass sie an derselben Stelle stand, wo sie sich in der Nacht von Dondos Tod voneinander verabschiedet hatten.
    »Die Lage scheint sich ein wenig zu beruhigen, den Göttern sei Dank«, bemerkte sie.
    »Ja. Ein wenig.« Cazaril legte seine Schreibfeder beiseite.
    »Allmählich glaube ich, dass alles gut werden kann.«
    »Ja.« Ein Krampf durchfuhr seinen Magen. Nein.
    Längeres Schweigen folgte. Cazaril nahm seine Feder wieder zur Hand und tauchte sie in die Tinte, obwohl er nichts mehr zu schreiben

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