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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Geruch wahrgenommen.
    »Hat der Duellkämpfer ihm gedroht?«, fragte Prinzessin Iselle. »Konnte der Richter nicht … Hätte er nicht um Hilfe bitten müssen, oder dy Naoza verhaften lassen?«
    »Ich bezweifle, dass selbst dy Naoza dumm genug gewesen wäre, einem Justizrat des Herzogtums zu drohen«, meinte dy Ferrej. »Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass er die Zeugen eingeschüchtert hat. Vrese wurde vermutlich … nun, auf andere Weise milde gestimmt.« Rasch schob er sich ein Stück Brot in den Mund und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, wie ein Mann, der mit einer Münze spielt.
    »Hätte der Richter ehrlich und mutig seine Pflicht getan, wäre der Kaufmann niemals in Versuchung geraten, einen Todeszauber anzuwenden«, sagte Iselle bedächtig. »Zwei Männer sind tot, wo es nur einer hätte sein müssen … selbst wenn man ihn hingerichtet hätte, hätte dy Naoza die Gelegenheit bekommen, seine Seele zu läutern, bevor er den Göttern gegenübertritt. Wenn das alles bekannt ist, warum ist dieser Vrese dann immer noch Richter? Großmutter, kannst du nichts dagegen unternehmen?«
    Die Herzogin presste die Lippen aufeinander. »Die Bestellung der Justizräte des Herzogtums zählt nicht zu meinen Rechten, Liebling. Auch nicht ihre Entlassung. Sonst ginge es da um einiges ordentlicher zu, das kann ich dir versichern!« Sie nahm einen Schluck Wein. Auf den unzufriedenen Blick ihrer Enkelin hin fügte sie hinzu: »Ich genieße in Baocia viele Vorrechte, Kind. Aber ich habe keine große Macht.«
    Iselle schaute auf Teidez und Cazaril, bevor sie die Frage ihres Bruders wiederholte – mit einer Stimme, die ernst geworden war: »Was ist der Unterschied?«
    »Das eine ist das Recht zu herrschen und die Pflicht, zu beschützen. Das andere ist das Recht, Schutz zu empfangen«, entgegnete die Herzogin. »Der Unterschied zwischen einem Herzog und einer Herzogin liegt leider nicht nur in den Buchstaben.«
    Teidez lächelte überheblich. »Also ganz wie der Unterschied zwischen einem Prinzen und einer Prinzessin?«
    »Ach ja?«, ging Iselle auf ihn los und hob zornig die Brauen. »Und wie gedenkt unser privilegierter junger Edelmann, den bestechlichen Richter seines Amtes zu entheben?«
    »Das reicht, ihr zwei!«, befahl die Herzogin streng. Cazaril unterdrückte ein Schmunzeln. Innerhalb dieser Mauern war sie die rechtmäßige Herrscherin, nach einem Gesetz, das älter war als das von Chalion. Sie hatte durchaus ein kleines Staatswesen unter Kontrolle.
    Das Gespräch wandte sich alltäglicheren Dingen zu, während die Diener Kuchen, Käse und Wein aus Brajar auftrugen. Cazaril hatte sich voll gestopft, hoffentlich verstohlen genug. Wenn er nicht bald aufhörte, würde ihm übel. Doch der goldgelbe Dessertwein ließ ihn fast wieder bei Tisch in Tränen ausbrechen. Er trank ihn diesmal unverdünnt, beschränkte sich aber auf ein Glas.
    Am Ende der Mahlzeit wurden wieder Gebete gesprochen; anschließend drängte der Privatlehrer Prinz Teidez zu weiteren Studien. Iselle und Betriz sollten sich mit Handarbeiten beschäftigen. Sie entfernten sich im Laufschritt; dy Ferrej folgte ihnen gemächlicher.
    »Werden sie beim Nähen still sitzen?«, fragte Cazaril die Herzogin, während er den Davoneilenden hinterher blickte.
    »Sie schwatzen und kichern, bis ich es kaum noch ertragen kann – aber ja, sie sind ziemlich geschickt«, meinte die Herzogin. Der liebevolle Ausdruck in ihren Augen widersprach ihren missbilligend verzogenen Lippen.
    »Eure Enkelin ist eine reizende junge Dame.«
    »Auf Männer eines gewissen Alters, Cazaril, wirken alle jungen Damen reizend. Das ist das erste Anzeichen für Senilität.«
    »Das ist wahr, Herrin.« Er musste grinsen.
    »Zwei Gouvernanten hat sie schon verschlissen, und nach den Klagen der dritten zu urteilen, scheint sie fest entschlossen, diese auch noch zu vergrämen. Und dennoch …« Der bissige Tonfall der Herzogin wurde sanfter. »Sie muss stark sein! Eines Tages – das ist unausweichlich – wird sie fortgeschickt. Und ich werde nicht länger in der Lage sein, ihr zu helfen, sie zu beschützen …«
    Eine attraktive, unberührte junge Prinzessin war eine Spielfigur und kein Spieler in der Politik Chalions. Sie würde einen hohen Brautpreis erzielen, aber die politisch und finanziell günstigste Heirat musste nicht unbedingt auch in persönlicher Hinsicht eine gute Ehe bedeuten. Die Herzoginwitwe hatte Glück gehabt, was ihr eigenes Schicksal betraf, doch in ihrem langen Leben hatte

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