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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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schienen Hände genug für sämtliche anfallenden Aufgaben zur Verfügung zu stehen, und Cazaril zog sich für eine Weile in sein eigenes Arbeitszimmer im Stockwerk darüber zurück. Dort lenkte er sich ab, indem er schroffe Briefe an jene Stadträte schrieb, die mit ihren vom König verfügten Zahlungen an den Haushalt der Prinzessin im Rückstand waren – und das waren sie alle. Sie hatten Entschuldigungsschreiben geschickt, in denen sie auf Missernten, Räuber, Seuchen, schlechtes Wetter und betrügerische Steuereintreiber verwiesen. Sechs Städte, die nichts als Ärger brachten! Cazaril fragte sich, ob Orico mit diesem Verlobungsgeschenk eine Gelegenheit beim Schopf ergriffen und die sechs übelsten Orte auf seinen Steuerlisten bei seiner Schwester und Dondo losgeworden war – oder ob sich ganz Chalion in einer solchen Unordnung befand.
    Iselle und Betriz kamen herein. Sie sahen müde und angespannt aus.
    »Mein Bruder ist schlimmer erkrankt, als ich es jemals erlebt habe«, vertraute Iselle Cazaril an. »Wir werden meinen persönlichen Altar aufstellen und vor dem Abendessen dort beten. Ich frage mich, ob wir auch fasten sollten.«
    »Ich finde, hier sind nicht die Gebete anderer nötig, sondern die von Teidez selbst. Und keine Gebete um Gesundheit, sondern um Vergebung!«
    Iselle schüttelte den Kopf. »Er weigert sich, überhaupt zu beten. Er sagt, es sei nicht seine Schuld, sondern Dondos. Was bis zu einem gewissen Maße sicher richtig ist … Er beteuert die ganze Zeit unter Tränen, dass er Orico niemals ein Leid antun wollte, und dass diejenigen Verleumder sind, die etwas anderes behaupten.«
    »Behauptet jemand etwas anderes?«
    »Niemand sagt es der Prinzessin ins Gesicht«, warf Betriz ein. »Aber unter den Dienern gehen sonderbare Gerüchte um, meint Nan.«
    Die Falten auf Iselles Stirn vertieften sich. »Cazaril … könnte das sein?«
    Cazaril stützte sich mit den Ellbogen auf sein Schreibpult und rieb sich die schmerzende Stirn. »Ich nehme an, von Teidez’ Seite her nicht. Ich glaube ihm, wenn er sagt, dass es Dondos Idee war. Dondo … nun, dem würde ich alles zutrauen. Betrachtet es mal von seiner Warte: Er heiratet Teidez’ Schwester und sorgt dann dafür, dass Teidez noch als Minderjähriger den Thron besteigt. Er hat seinen Bruder Martou gesehen und weiß daher, wie viel Macht ein Mann ausüben kann, der in der Tasche eines Königs sitzt. Ich weiß zwar nicht, wie er Martou loswerden wollte, bin mir aber sicher, dass Dondo der nächste Kanzler oder gar Regent von Chalion werden wollte. Vielleicht sogar König – je nachdem, welche unglücklichen Zufälle er für Teidez hätte arrangieren können.«
    Iselle biss sich auf die Unterlippe. »Und ich dachte, Ihr hättet nur mich gerettet!« Sie berührte Cazaril kurz an der Schulter und ging dann in ihre Gemächer.
    Cazaril begleitete Iselle und Betriz, als diese vor dem Abendessen Orico einen Besuch abstatteten. Orico ging es nicht besser, doch verschlimmert hatte sein Zustand sich auch nicht. Er war frisch angekleidet und saß aufrecht im Bett. Sara las ihm vor. Der König sprach zuversichtlich von einer Verbesserung in seinem rechten Auge, denn er glaubte, dass er damit schon wieder bewegende Umrisse unterscheiden konnte. Cazaril hielt die Diagnose des Arztes – Wassersucht – für nur allzu wahrscheinlich, denn Oricos unförmiger Leib war noch mehr angeschwollen. Als der König den Daumen gegen das gedunsene Fleisch seines Gesichts drückte, zeichnete der Abdruck sich blass ab und blieb für lange Zeit sichtbar. Iselle spielte die alarmierenden Nachrichten über Teidez’ Infektion Orico gegenüber herunter, doch auf dem Weg nach draußen sprach sie im Vorzimmer offen zu Sara. Diese kniff die Lippen zusammen. Sie ließ Teidez’ Schwester gegenüber kaum ein Wort fallen, doch Cazaril dachte bei sich, dass hier zumindest ein Mensch war, der für den irregeleiteten, brutalen Knaben keine Gebete sprechen würde.
    Nach dem Abendessen stieg Teidez’ Fieber noch weiter an. Er wehrte und beschwerte sich nicht mehr, sondern lag nur noch stumm und kraftlos da. Einige Stunden vor Mitternacht schien er einzuschlafen. I selle und Betriz verließen endlich das Vorzimmer des Prinzen und stiegen hinauf zu ihren eigenen Räumlichkeiten, um ein wenig auszuruhen.
    Cazaril fand keinen Schlaf und wurde kurz vor Mitternacht in Erwartung seiner üblichen Heimsuchungen aus dem Bett getrieben. Ein weiteres Mal lief er den Flur entlang zu Teidez’

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