Chalions Fluch
fortlassen.«
»Natürlich könnt Ihr nicht in aller Offenheit aufbrechen.« Iselle machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ihr werdet daher zunächst als mein persönli cher Bote nach Valenda reiten, das fast auf dem Weg liegt, und meiner Mutter die Nachricht vom Tod meines Bruders überbringen. Dy Jironal wird zustimmen und begeistert sein, Euch loszuwerden – wie er fälschlich annehmen wird. Zweifellos wird er Euch sogar einen Kurierstab leihen, mit dem Ihr über frische Pferde von den Kurierstationen der Kanzlei verfügen könnt. Ihr wisst, dass er bis morgen Mittag meinen Haushalt mit seinen Spionen überflutet haben wird?«
»Das war sehr deutlich.«
»Aber nachdem Ihr in Valenda Halt gemacht habt, reitet Ihr nicht zurück nach Cardegoss, sondern weiter nach Zagosur – oder wo immer Ihr Prinz Bergon antrefft. Inzwischen werde ich darauf bestehen, dass Teidez in Valenda bestattet wird, seinem geliebten Zuhause.«
»Teidez konnte es kaum erwarten, von Valenda fortzukommen«, wandte Cazaril ein, der sich allmählich benommen fühlte.
»Nun, das weiß dy Jironal aber nicht. Aus keinem anderen Grund würde der Kanzler mich aus Cardegoss und aus den Augen lassen, doch der Achtung vor familiären Verpflichtungen kann er sich nicht verweigern. Ich werde auch Saras Unterstützung für dieses Unternehmen gewinnen, sofort morgen früh!«
»Ihr seid gleich zweifach in Trauer, für Euren Bruder und für den Bruder des Kanzlers. Er kann Euch nun auf Monate hin keinen neuen Verlobten aufzwingen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Vor einer Stunde wurde ich zur Zukunft Chalions. Dy Jironal muss die Herrschaft über mich erlangen und behalten, wenn er auch Einfluss auf diese Zukunft haben will. Der entscheidende Augenblick ist nicht der Anfang meiner Trauer für Teidez, sondern der Anfang meiner Trauer für Orico. Zu diesem Zeitpunkt – und nicht eher – gerate ich vollständig unter die Kontrolle dy Jironals. Es sei denn, ich heirate zuvor.
Wenn ich erst einmal aus Cardegoss fort bin, kehre ich nicht mehr zurück. Bei diesem Wetter könnte Teidez’ Leichenzug wochenlang unterwegs sein. Und wenn das Wetter nicht mitspielt, finde ich andere Verzögerungen. Wenn Ihr mit Prinz Bergon zurückkehrt, sollte ich mich immer noch sicher in Valenda aufhalten.«
»Einen Augenblick. Sagtet Ihr, mit Prinz Bergon zurückkehren?«
»Ja. Natürlich müsst Ihr ihn zu mir bringen! Denkt mal darüber nach. Wenn ich Chalion verlasse und in Ibra heirate, wird dy Jironal mich der Rebellion bezichtigen und mich zwingen, an der Spitze eines fremden Heeres zurückzukehren. Doch wenn ich vom ersten Augenblick an meinen Boden behaupte, muss ich ihn mir nicht erst zurückerobern. Das habt Ihr mir beigebracht!«
Habe ich das?
Sie beugte sich vor und sprach jetzt eindringlicher: »Ich werde Prinz Bergon heiraten, ja, aber ich werde nicht Chalion aufgeben, um ihn zu kriegen, nicht einen Fußbreit! Ich werde es nicht dy Jironal überlassen, und ebenso wenig dem Fuchs. Das sind meine Bedingungen. Bergon und ich werden unsere jeweiligen Kronen für uns selbst erben. Bergon wird in Chalion die Autorität eines Prinzgemahls genießen, und ich in Ibra die einer Prinzgemahlin, ein jeder durch den anderen, wechselseitig und gleichgestellt. Unser zukünftiger Sohn – so es der Mutter und dem Vater gefällt – soll dann beide Länder erben und unter einer Krone vereinen. Doch die Herrschaft in Chalion soll mir gehören und nicht als Mitgift an meinen Ehemann übergehen. Ich lasse mich nicht zu einer Sara machen, die in ihrem eigenen Rat nicht mitreden darf!«
»Der Fuchs wird gierig sein und versuchen, mehr herauszuschlagen.«
Sie reckte das Kinn vor. »Deshalb brauche ich Euch als meinen Gesandten, und niemand anders. Wenn Ihr mir die Hochzeit mit Prinz Bergon nicht zu Bedingungen vermitteln könnt, die meine zukünftige Souveränität nicht gefährden, dann macht kehrt und reitet nach Hause. Und bei Oricos Tod werde ich selbst mein Banner gegen dy Jironal erheben.« Ihre Lippen verzogen sich zu einer scharfen, zornigen Linie, und ihr schwarzer Schatten umwirbelte sie. »Ob Fluch oder nicht, ich werde nicht zu Martou dy Jironals aufgezäumter Stute, die sich von seinen Sporen lenken lässt.«
Ja, Iselle hatte den Mut, den Willen und den Verstand, dy Jironal zu widerstehen, wie Orico es niemals geschafft hatte, und wie Teidez es niemals geschafft hätte. Cazaril konnte es in ihren Augen sehen; er sah die Armeen mit geflaggten Lanzen aus der schwarzen
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