Chalions Fluch
Verlobte, der mitgeschickt werden sollte.
In Gedanken zählte Cazaril die Tage ab. Es war undenkbar, dass dy Jironal am Hofe von Ibra keine Spione hatte. Früher oder später würde die Kunde von Cazarils Auftauchen an diesem Ort zurück nach Cardegoss gelangen. Wie früh? Würde dy Jironal auf den Gedanken kommen, dass Cazarils Verhandlungen für Iselle so unerwartet schnell Früchte trugen? Würde er die Prinzessin festhalten? Würde er sich Cazarils nächsten Schritt ausrechnen und versuchen, Bergon in Chalion abzufangen?
Nach einigen Tagen der festgefahrenen Debatten über die Sicherheit des Prinzen folgte Cazaril einer unvermittelten, genialen Eingebung und schickte Bergon vor, um in seiner eigenen Sache zu sprechen. Diesem Gesandten konnte der Fuchs nicht aus dem Weg gehen, nicht einmal in seinen Privatgemächern. Bergon war jung und voller Energie und Vorstellungskraft, und er war mit Leidenschaft bei der Sache, während der Fuchs alt und müde war. Schlimmer noch – oder vielleicht auch besser, von Cazarils Warte aus gesehen: Eine Stadt in Süd-Ibra, aus der Gefolgschaft des verstorbenen Thronfolgers, wagte den bewaffneten Aufstand wegen irgendeiner Vertragsverletzung, und der König musste Männer zusammenziehen und losreiten lassen, um den Ort wieder zu befrieden. Aufgebracht von diesem Zwiespalt, hin und her gerissen zwischen hoch fliegenden Hoffnungen und eisiger Furcht um den einzigen überlebenden Sohn, überließ der Fuchs die Lösung des Problems Bergon und dessen Gefolgsleuten.
Wie Cazaril feststellen konnte, mangelte es Bergon nicht an Einfällen. Rasch billigte der Prinz Cazarils Überlegungen, das feindliche Gebiet zwischen der ibranischen Grenze und Valenda unbelastet und in Verkleidung zu durchqueren. Außer Cazaril und den dy Guras wählte Bergon nur noch drei enge Gefährten zu seiner Begleitung, zwei junge ibranische Edelleute, dy Tagille und dy Cembuer, sowie den nur wenig älteren Graf dy Sould.
Der begeisterte dy Tagille schlug vor, sie sollten als Gruppe ibranischer Kaufleute mit Ziel Cardegoss reisen. Cazaril bestand darauf, dass sämtliche Begleiter des Prinzen – ob edel oder gewöhnlich – erfahren im Umgang mit den Waffen waren. Im Anschluss an Bergons Entscheidung versammelte sich die Gruppe innerhalb eines Tages, und zwar – wie Cazaril betete – in aller Heimlichkeit auf einem von dy Tagilles Anwesen außerhalb von Zagosur. Es war alles in allem doch keine so kleine Gesellschaft, wie Cazaril feststellte: Einschließlich der Diener kamen sie auf mehr als ein Dutzend Berittene, und auf einen Tross von einem halben Dutzend Maultiere. Zusätzlich führten die Dienstboten vier vorzüglich zueinander passende weiße, ibranische Bergponys mit sich. Sie sollten ein Geschenk für Bergons Verlobte sein, dienten in der Zwischenzeit aber als Ersatztiere.
Gut gelaunt brachen sie auf. Für die Gefährten war es offensichtlich ein großes Abenteuer. Bergon betrachtete die Angelegenheit nüchterner und mit einer gewissen Nachdenklichkeit. Das war ganz in Cazarils Sinne, der sich schon so vorkam, als führte er eine Schar Kinder in die Höhlen des Wahnsinns. Doch zumindest in Bergons Fall folgten ihm seine Begleiter nicht blindlings. Und das war mehr, als die Götter ihm zubilligten, sinnierte Cazaril düster. Er fragte sich, ob der Fluch ihn womöglich täuschte und sie alle in den Krieg führte, anstatt einen solchen zu verhindern. Auch dy Jironal war nicht immer so verdorben gewesen wie heute …
Da sie sich der Geschwindigkeit des langsamsten Packtiers anpassen mussten, war das Tempo nicht so schmerzhaft wie bei der Hetze nach Zagosur. Der Aufstieg von der Küste bis zu den Füßen der Zähne des Bastards nahm volle vier Tage in Anspruch. Dort erreichte Cazaril ein weiterer Brief von Iselle. Dieser war vierzehn Tage nach seinem Aufbruch aus Cardegoss geschrieben worden. Sie berichtete, dass Teidez mit der gebotenen Feierlichkeit in Valenda beigesetzt worden war. Erfolgreich hatte sie ihren Plan in die Tat umgesetzt, dort zu verweilen und vorgeblich den Aufenthalt bei ihrer trauernden Mutter und Großmutter auszudehnen. Dy Jironal hatte Nachricht von Oricos sich verschlechterndem Gesundheitszustand erhalten und war nach Cardegoss zurückgeritten. Unglücklicherweise hatte er nicht nur seine weiblichen Spione in Valenda gelassen, sondern auch einige Einheiten seiner Soldaten, um Chalions neue Thronfolgerin zu bewachen. Ich denke darüber nach, wie ich mich ihrer entledigen kann,
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