Chalions Fluch
gewinnen. Es geht darum, ein Imperium für Euren Enkel zu schaffen!«
Der Fuchs sah augenblicklich fröhlicher aus. Selbst sein Schreiber lächelte.
Schließlich bot der König Cazaril das Burgen-und-Reiter-Spiel an, als persönliches Andenken.
»Für mich selbst muss ich das wohl ablehnen«, sagte Cazaril und schaute bedauernd auf die eleganten Einzelteile. Dann kam ihm ein besserer Gedanke: »Doch wenn Ihr sie einpacken lasst, trage ich sie gerne mit mir zurück nach Chalion – als Euer persönliches Verlobungsgeschenk für Eure künftige Schwiegertochter. «
Der Fuchs lachte und schüttelte den Kopf. »Wenn ich doch nur einen Höfling hätte, der mir so viel Treue für einen so geringen Lohn anböte! Wünscht Ihr wirklich nichts für Euch selbst, Cazaril?«
»Ich wünsche mir Zeit.«
Der Fuchs schnaubte bedauernd. »Tun wir das nicht alle? Darum müsst Ihr bei den Göttern ersuchen, nicht beim König von Ibra.«
Cazaril erwiderte nichts darauf, auch wenn seine Lippen zuckten. »Zumindest würde ich gern lange genug leben, um Iselle sicher verheiratet zu sehen. Und dieses Geschenk könnt Ihr mir tatsächlich zukommen lassen, Majestät, indem Ihr die Dinge be schleunigt. Und«, fügte er hinzu, »es ist wirklich dringend, dass Bergon Prinzgemahl von Chalion wird, ehe Martou dy Jironal zum Regenten von Cha lion werden kann.«
Selbst der Fuchs sah sich gezwungen, dieser Feststellung mit einem Nicken beizupflichten.
Auch an diesem Abend nahm Cazaril am üblichen königlichen Bankett teil: Eisern lehnte er sämtliche Ehrungen ab, mit denen Bergon ihn überschütten wollte; daher legte der Prinz es anscheinend darauf an, seinen Gast zumindest mit Speisen zu mästen. Nachdem Cazaril Bergon und dessen Fürsorge losgeworden war, suchte er den Tempel auf. Dessen hohe, gerundete Hallen waren zu dieser Stunde düster und still. Es waren fast keine Gläubigen anwesend, obwohl die Lichter an den Wänden ebenso gleichmäßig brannten wie die Feuerstelle in der Mitte; überdies hielten einige Akolythen Nachtwache. Cazaril erwiderte ihre freundlichen Grüße und ging weiter durch den mit Fliesen verzierten Torbogen zum Schrein der Tochter.
Die Jungfrauen und Damen von Ibra woben wun derschöne Gebetsteppiche und spendeten sie dann als fromme Gaben den Tempeln, was die Knie und Körper der Bittsteller vor den marmorkalten Böden schützte. Wenn diese Sitte – zusammen mit Bergon – nach Chalion eingeführt werden konnte, überlegte Cazaril, könnte es dort durchaus das Maß der winterlichen Götterverehrung steigern. Matten aller Größen, Farben und Muster lagen um den Altar der Herrin ausgebreitet. Cazaril wählte ein breites, dickes Exemplar, aus dichter Wolle und mit leicht verwaschenen Abbildern von Frühlingsblumen, und legte sich darauf nieder. Er war zum Beten hier, ermahnte er sich, nicht zu einem weinseligen Nickerchen …
Auf dem Weg nach Ibra hatte er an jedem ländlichen und primitiven Schrein der Tochter die Gelegenheit zum Gebet ergriffen, während Ferda sich um die Pferde kümmerte. Er betete für die Erhaltung von Oricos Leben, für Iselles und Betriz’ Sicherheit, und um Trost für Ista. Und vor allem betete er, vom Ruf des Fuchses eingeschüchtert, für den Erfolg seiner Mission. Dieses Gebet war anscheinend schon im Voraus beantwortet worden. Wie lange im Voraus? Seine ausgestreckten Hände fuhren über die Fasern des Teppichs, folgten jeder Schlaufe, die geduldige Frauenfinger gezogen hatten. Oder war diese Frau gar nicht geduldig gewesen? Vielleicht war sie müde gewesen, oder verärgert, oder abgelenkt, oder hungrig, oder wütend. Oder womöglich todkrank. Aber ihre Hände hatten weiter an diesem Teppich gewebt, was immer ihr Inneres bewegt hatte.
Wie lange folge ich nun schon diesem Weg?
Einst hätte Cazaril seine Ergebenheit für die Sache der Herrin zurückverfolgt bis zu einer Münze, die ein ungeschickter Soldat in den winterlichen Schlamm von Baocia hatte fallen lassen. Nun war er sich gar mehr so sicher – und keinesfalls war er sich mehr sicher, ob ihm die neue Antwort gefiel.
Vor der Münze im Schlamm kam der Albtraum der Galeeren. Waren all die Schmerzen und Ängste und Todesqualen dort von den Göttern für deren Zwecke inszeniert worden? War er nicht mehr als eine Puppe an einem Faden? Oder eher ein Maultier an einem Strick, scheu und störrisch, das mit der Peitsche angetrieben werden musste? Er wusste kaum, ob er Staunen oder Wut empfinden sollte. Er dachte an Umegat, der
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