Chalions Fluch
Reisegruppe zu. Cazaril drehte sich auf dem Pferderücken und grub eine Hand in die Satteltasche. Seine Finger ertasteten Seide, dann die glatte Kühle runder Perlen. Er hatte Dondos Perlen in Zagosur nicht verpfändet, weil dort, nahe am Herkunftsland, kein guter Preis zu erzielen war. Mit einer schwungvollen Bewegung riss er nun die Hand empor, zog die glänzende Schnur hervor, wirbelte sie über dem Kopf und durchtrennte sie mit dem Daumen. Perlen wurden vom Ende der Schnur fortgeschleudert und hüpften über die Schieferplatten des Hofes. Die überraschten Halsabschneider lachten und griffen nach den kostbaren Wurfgeschossen.
Cazaril senkte den Arm und rief: »Jetzt!«
Der grauhaarige Anführer, der gerade einen ähnlichen Befehl hatte geben wollen, erstarrte. Cazarils Männer zogen zuerst ihre Waffen und stürzten sich auf die überraschten Gegner. Cazaril rutschte halb aus dem Sattel, unmittelbar bevor ein Armbrustbolzen darin einschlug. Sein Pferd stieg und ging durch. Cazaril hatte Mühe, das Schwert aus der Scheide zu ziehen.
Foix – die Götter mochten ihn segnen! – hatte es geschafft, heimlich seine eigene Armbrust in Anschlag zu bringen, bevor das Durcheinander aus schreienden Männern und springenden Pferden seinen Anfang nahm. Einer der männlichen Geister rannte vor Cazarils innerem Auge entlang und zeigte auf eine verschwommene Gestalt, die geduckt auf dem Vordach entlangschlich. Cazaril berührte Foix am Arm und rief: »Da oben!« Foix ließ die Sehne einrasten und wirbelte herum, gerade als ein zweiter Schütze sich erhob. Cazaril hätte schwören können, dass der aufgebrachte Geist das Geschoss zu lenken versuchte. Es traf den Armbrustschützen ins rechte Auge und streckte ihn nieder. Foix ging in Deckung und spannte die Waffe erneut. Die Zahnstangenwinde surrte.
Cazaril wandte sich um, hielt nach einem Gegner Ausschau – und fand einen, der seinerseits nach ihm Ausschau hielt: Vom Haupteingang her, mit blank gezogener Klinge, drängte eine vertraute Gestalt heran: Ser dy Joal, dy Jironals Steigbügelhalter, den Cazaril zuletzt in Cardegoss gesehen hatte.
Cazaril hob sein Schwert gerade schnell genug, um dy Joals ersten zornigen Streich zu parieren. Sein Leib verkrampfte sich in quälendem Schmerz, während sie einander umkreisten und nach einer Schwäche des Gegners suchten. Dann stieß dy Joal vor.
Die fürchterlichen Leibschmerzen nahmen Cazarils Arm die Stärke; beinahe hätte er sich vornüber gekrümmt. Er konnte nur mit aller Mühe den nächsten Angriff abwehren, und zu einem Gegenangriff fehlte ihm plötzlich die Kraft. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der weibliche Geist sich immer enger zusammenrollte. Sie – oder war es eine Perle? Oder beides vereint? – rutschte unter dy Joals Stiefel. Unerwartet glitt dy Joal nach vorn aus und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Cazarils Schwertspitze durchstieß seine Kehle und blieb kurz in seinen Halswirbeln stecken.
Dann fuhr ein furchtbarer Schlag durch Cazarils Arm. Nicht nur der Leib, sondern der ganze Körper verkrampfte sich. Cazarils Blickfeld wurde verschwommen und dunkel. In seinem Innern schrie Dondo triumphierend auf. Wie ein wirbelndes Feuer drängte der Todesdämon hinter Cazarils Augen empor, begierig, rastlos. Cazaril krümmte sich und würgte, und bei dieser unkontrollierten Bewegung riss er sein Schwert seitwärts aus der Wunde. Das Blut spritzte im Rhythmus des Herzschlags aus dy Joals durchtrennten Adern. Dy Joal brach zu Cazarils Füßen zusammen und lag bald in einer roten Lache seines eigenen Blutes.
Im nächsten Moment fand Cazaril sich selbst auf dem kalten Schiefer wieder; er kauerte auf Händen und Knien. Das Schwert war ihm aus den gefühllosen Fingern gefallen und klirrte noch leise auf dem Stein. Cazaril zitterte so heftig am ganzen Leib, dass er nicht mehr aufstehen konnte. Er spuckte Galle. An der Spitze seines Schwertes, das auf den Steinen lag, dampfte dy Joals feuchtes Blut und wurde dunkel.
Übelkeit breitete sich in Cazarils angeschwollenem, pulsierendem Unterleib aus. In seinem Innern jammerte und heulte Dondo in hilflosem Zorn, bis seine Klage schließlich erstickte. Der Dämon beruhigte sich wieder und wartete ab, wie eine jagende Katze, aufmerksam und angespannt. Cazaril beugte und lockerte seine Finger, nur um sicherzugehen, dass er immer noch die Kontrolle über seinen eigenen Körper besaß.
So war das also. Der Todesdämon war nicht sehr wählerisch, wessen Seelen
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