Chalions Fluch
schmuckvolles, schmiedeisernes Tor hinter dy Tagille weit aufschwang. Gab es einen weiteren Zugang?
»Prinzessin Iselle, Prinz Bergon, Lady Betriz – ihr dürft euch hier nicht einschließen lassen!« Er lief hinter dy Cembuer her, schon jetzt mit wild pochendem Herzen. Wenn er sie nur hier herausbringen konnte, bevor …
Ein verzweifelter Page kam herbeigeeilt, gerade als dy Cembuer am Torbogen angelangt war. »Edle Herren, helft! Bewaffnete Männer sind in den Palast eingedrungen!« Aufgeregt blickte er über die Schulter.
Und da waren sie auch schon. Zwei Männer gingen mit gezückten Klingen auf den Pagen los. Dy Cembuer hielt das Schwert in der Linken und versuchte, das Tor zuzustoßen. Er konnte kaum dem ersten Angriff ausweichen, dann war Cazaril heran. Er führte einen ersten, wichtigen Schlag, und sein Gegner parierte. Das Klirren der Waffen hallte über den ganzen Hof.
»Verschwindet!«, rief Cazaril über die Schulter. »Über die Dächer, wenn es sein muss!« Doch vermochte Iselle in ihrem Festtagskleid überhaupt zu klettern? Cazaril konnte sich nicht umdrehen und nachschauen, ob man seiner Anweisung Folge leistete, denn inzwischen hatte sich sein Gegner erholt und bedrängte ihn hart. Die Halunken, Landsknechte, Soldaten – was immer sie waren – trugen normale Straßenkleidung und keine einheitlichen Farben oder Abzeichen, an denen man sie erkennen konnte. Ohne Zweifel, damit sie sich unauffällig in kleinen Gruppen unter die Menge der Festbesucher mischen und so in die Stadt eindringen konnten.
Dy Cembuer schlitzte seinem Gegner den Leib auf. Der letzte Schlag des Mannes traf allerdings noch den gebrochenen Arm des Ibraners, und Cembuer wurde kreidebleich und taumelte mit einem erstickten Schmerzenslaut zurück. Ein weiterer Soldat kam um die Ecke und lief auf den Torbogen zu. Er trug die baocischen Farben, Grün und Schwarz, und für einen Augenblick fasste Cazaril neue Hoffnung – bis er Teidez’ bestochenen Wachhauptmann erkannte, der offensichtlich immer erfahrener wurde in der Kunst des Verrats!
Als der baocische Hauptmann Cazaril sah, fletschte er die Zähne. Dann umklammerte er verbissen sein Schwert und reihte sich neben seinem Kumpan ein. Cazaril hatte weder die Zeit noch eine Hand frei, um das Tor vor den Feinden zu schließen. Außerdem war dy Cembuers Gegner so gestürzt, dass er den Türflügel versperrte. Cazaril wagte nicht zurückzuweichen. Dieser Engpass zwang seine Gegner, einzeln auf ihn einzudringen – die beste Chance, die er heute wahrscheinlich bekam. Klirrende Schläge gegen die Klinge ließen den Schwertgriff in seiner Hand erzittern, und allmählich wurden seine Finger taub. Seine Eingeweide verkrampften sich wieder. Doch mit jedem keuchenden Atemzug erkaufte er einen weiteren Schritt für die Flucht von Bergon, I selle und Betriz. Ein Schritt, zwei Schritte, fünf Schritte … wo war dy Tagille? Neun Schritte, elf, fünfzehn … wie viele Männer kamen noch hinter diesen her? Seine Klinge schlug ein Stück aus dem Kiefer des ersten Angreifers, und der Mann taumelte mit einem wilden Schrei zurück. Das aber verschaffte dem Hauptmann eine bessere Position für seine Angriffe. Der Kerl trug noch immer Dondos grünen Ring! Er blitzte auf, während das Schwert vorstieß und pariert wurde. Vierzig Schritte. Fünfzig …
Cazaril kämpfte berauscht von Angst. Er konnte sich nur mit Mühe verteidigen und verschwendete kaum noch einen Gedanken an die übernatürlichen Gefahren eines erfolgreichen Stoßes von seiner Seite – dass der Todesdämon seine Seele gemeinsam mit der des sterbenden Opfers aus dem Körper riss. Er versuchte nicht mehr, die Schlacht zu gewinnen, oder auch nur diesen Kampf, oder sein Leben zu retten. Er kämpfte nur noch für einen weiteren Schritt. Jeder Schritt war ein kleiner Sieg … Er hatte sich verzählt. Neu anfangen. Eins. Zwei. Drei.
Wahrscheinlich werde ich gleich sterben. Zweimal war kein Zauber. Innerlich fluchte er über diese Verschwendung, wurde beinahe wahnsinnig vor Bedauern, dass er nicht oft genug sterben konnte. Sein Arm zitterte vor Erschöpfung. An diesem Tor wurde ein Schwertkämpfer benötigt, kein Schreiber, aber bei der privaten Andacht der Prinzessin waren nur diese wenigen Edelleute zugegen gewesen.
Kam denn niemand hinter ihm zu seiner Unterstützung? Selbst die alten Diener konnten doch irgendwie kämpfen!
Zweiundzwanzig, drei …
Konnte er über den Innenhof zu den Treppen zurückweichen? War die königliche
Weitere Kostenlose Bücher