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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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eine Stunde vor Morgengrauen und geleitete ihn im Schein einer Kerze hinunter in den Innenhof, wo die engere Hausgemeinschaft des königlichen Paares die Morgenandacht hielt. Die Luft war kühl und neblig, doch einige matt glänzende Sterne versprachen einen baldigen, klaren Sonnenaufgang. Gebetsteppiche im ibranischen Stil waren rund um den Brunnen in der Mitte des Hofes ausgelegt worden, und jeder Anwesende nahm seinen Platz auf einer der Matten ein, auf den Knien oder flach auf dem Bauch, ganz wie es dem Einzelnen beliebte. Iselle und Bergon knieten Seite an Seite. Lady Betriz wählte einen Platz zwischen der Prinzessin und Cazaril. Dy Tagille und dy Cembuer eilten gähnend herbei, um sich ihnen auf dem äußeren Ring der Teppiche anzuschließen, zusammen mit einem halben Dutzend weiterer Personen von niedrigerem Rang. Ein Geistlicher aus dem Tempel leitete sie zu einem kurzen, lauten Gebet an; dann forderte er sie auf, über den Segen der wechselnden Jahreszeit zu meditieren. In ganz Taryoon wurden die winterlichen Flammen gelöscht. Als alles bereit war, löschte man die letzten Kerzen. Finsternis und Stille senkten sich herab.
    Leise legte Cazaril sich flach und mit ausgestreckten Armen auf den Teppich. Dreimal wiederholte er jedes der wenigen Frühlingsgebete, die er kannte. Dann gab er auf und versuchte nicht länger, seinen Kopf mit auswendig gelernten Worten zu füllen, um seine Gedanken zu unterdrücken. Wenn er seinen Überlegungen freien Lauf ließ, würde vielleicht Stille folgen. Und dann hörte er möglicherweise … was?
    Betriz hatte ihm vorgeworfen, er würde das Thema wechseln, wenn ihm die Antworten zu schwierig wurden. Bei den Göttern hatte er dasselbe versucht. Offensichtlich hatte er sie ebenso wenig täuschen können.
    Ista hatte ihre Gelegenheit gehabt, den Fluch zu bannen, und war gescheitert, so schien es, für ihre ganze Generation. Wenn er nun versagte, fürchtete Cazaril, gab es auch für ihn keinen weiteren Versuch. Würden dann Iselle oder Bergon oder beide es schaffen, ein neuer Orico zu werden – die Flut so lange zurückhalten, bis sie versanken, um die nächste Gelegenheit zu schaffen?
    Sie werden sehr unglücklich sein mit ihren Kindern. Er wusste es, plötzlich und mit kalter Gewissheit. Ihr gesamter Plan für Frieden und Ordnung war abhängig von einem starken, viel versprechendem Erben, der ihnen beiden folgen konnte. Sie würden sich selbst verausgaben, bis sie keine Kraft hatten – und das für Kinder, die tot zur Welt kamen oder früh starben, verrückt wurden, verbannt oder verraten …
    Ich würde den Himmel für euch erstürmen, wenn ich wüsste, wo er ist.
    Cazaril wusste, wo er war. Er war auf der anderen Seite einer jeden lebenden Person, eines jeden lebenden Wesens, so nahe wie die andere Seite einer Münze, die andere Seite einer Tür. Jede Seele war ein potenzielles Portal zu den Göttern. Ich frage mich, was geschehen würde, wenn wir uns alle zugleich öffneten? Würde die Welt mit Wundern geflutet und der Himmel geleert? Er hatte eine plötzliche Vision von den Heiligen, die den Göttern gleichsam als Bewässerungssystem dienten, so wie jenes um Zagosur: ein wohl durchdachtes, sorgfältiges Öffnen und Schließen von Schleusentoren, um jeder kleinen Seelenpflanze genau das richtige Maß an Segen zu bringen. Nur dass es sich mehr wie eine Flutwelle anfühlte, die von einem rissigen Damm zurückgehalten wurde …
    Geister waren Verbannte auf der falschen Seite der Grenze, Menschen, die von innen nach außen gekehrt worden waren. Weshalb ging das nicht auch umgekehrt? Wie mochte es sich anfühlen, ein Anti-Geist aus Fleisch zu sein, der in der geistigen Welt umging? Wäre man für die meisten Geister unsichtbar, so wie die Geister für die meisten Menschen unsichtbar waren?
    Und wenn ich die Seelen sehen kann, die von ihrem Körper getrennt wurden, weshalb sehe ich sie dann nicht, solange sie noch in ihrem Leib sind?
    Hatte er das je versucht? Wie viele Personen befanden sich in diesem Augenblick in seiner Umgebung?
    Er schloss die Augen und versuchte, die Leute im Dunkeln mit seinem zweiten Gesicht zu sehen. Noch immer verwirrte die Materie seine Sinne. Irgendwo in den hinteren Reihen der Gebetsteppiche begann jemand zu schnarchen und fuhr mit einem erschrockenen Grunzen auf, als ein kichernder Gefährte ihn anstieß. Wenn er seine Sinne auf diese Weise nutzen könnte, dann wäre es so, als könne er durch ein Fenster in den Himmel sehen …
    Wenn die Götter

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