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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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blickte er durch das dämmrige Gemach zu Cazaril hinüber, als würde er in dessen Gesicht nach etwas suchen. »Es ist nicht nur diese erbärmliche Parodie eines Bartes. Du hast dich sehr verändert. «
    »Tatsächlich? Gut, dann soll es wohl so sein.«
    »Wie …« Palli schaute zur Seite, dann wieder auf Cazaril. »Wie schlimm ist es gewesen? Wie schlimm war es wirklich auf den Galeeren?«
    Cazaril zuckte die Achseln. »Ich hatte Glück im Unglück. Ich habe überlebt. Anderen erging es schlimmer.«
    »Man hört allerhand schreckliche Geschichten, wie die Sklaven misshandelt werden, oder missbraucht …«
    Cazaril kratzte sich am Bart. Auch der wurde allmählich kräftiger, bildetet er sich ein. »Diese Geschichten sind nicht ganz falsch, aber doch verdreht, übertrieben – vereinzelte Ereignisse, die verallgemeinert werden. Ein guter Kapitän hat uns behandelt wie ein guter Bauer sein Vieh, mit unpersönlicher Fürsorge. Essen, Wasser … genug Reinlichkeit, damit wir gesund und in guter Verfassung waren. Wenn man einen Mann besinnungslos prügelt, kommt er nicht mehr gut mit dem Ruder klar – so musst du dir das vorstellen. Doch diese Art körperlicher Maßregelung war nur im Hafen nötig. War man erst einmal auf See, sorgte das Meer selbst für Ordnung.«
    »Wie meinst du das?«
    Cazarils Augenbrauen zuckten nach oben. »Warum sollte man eine Kerbe in die Haut eines Mannes schlagen, oder in seinen Kopf, wo man seinen Willen brechen kann, indem man ihn einfach über Bord wirft? Die Roknari ließen uns im Wasser treiben, wo die Füße wie fette Würmer herabhingen und die großen Fische anlockten. Dann mussten sie nur ein wenig warten, und schon schwammen wir hinter dem Schiff her und bettelten und flehten unter Tränen darum, wieder in die Sklaverei aufgenommen zu werden.«
    »Du warst immer schon ein guter Schwimmer«, merkte Palli zuversichtlich an. »Du bist doch sicher besser damit klargekommen als die meisten anderen?«
    »Das Gegenteil war der Fall, fürchte ich. Manche Männer gingen unter wie die Steine. Für sie war es schnell vorüber. Denk darüber nach, Palli. Ich habe darüber nachgedacht!«
    Er dachte immer noch daran, wenn er mitten in der Nacht kerzengerade in seinem Bett saß, aufgeschreckt von einem Albtraum, in dem das Wasser über seinem Kopf zusammengeschlagen war. Oder, schlimmer noch … wo er sich allzu lange über Wasser halten konnte! Einmal frischte der Wind überraschend auf, als der Rudermeister mit einem gewissen aufsässigen Ibraner dieses kleine Spielchen getrieben hatte. Der Kapitän war darauf bedacht, vor dem Sturm zurück im Hafen zu sein, und weigerte sich, beizudrehen. Die immer schwächeren Schreie des Ibraners hallten übers Wasser, während das Schiff sich entfernte, wurden leiser und leiser … Die Kosten für den Ersatz des Sklaven zog der Kapitän dann dem Rudermeister ab, als Strafe für seine Fehleinschätzung. Deswegen war der Mann wochenlang schlechter Laune gewesen.
    »Oh«, brachte Palli nach einer Weile hervor.
    Das war nicht zu viel gesagt. »Ich kann dir versichern, mein Stolz und mein großes Mundwerk haben mir zwar ordentlich Prügel eingebracht, als ich gerade an Bord gekommen war, aber damals hielt ich mich immer noch für einen Edlen von Chalion. Das wurde mir erst später ausgetrieben.«
    »Aber man hat dich nicht … Sie haben dich nicht als Objekt der … Ich meine, sie haben dich nicht in erniedrigender Weise … äh …«
    Im schwachen Licht konnte Cazaril nicht erkennen, ob Palli errötet war. Aber endlich dämmerte es ihm, dass sein Freund auf diese besorgte und unbeholfene Weise fragen wollte, ob man ihn vergewaltigt hatte. Er verzog die Lippen zu einem mitfühlenden Lächeln. »Da verwechselst du wohl die Flotte der Roknari mit der von Darthaca. Ich fürchte beinahe, diese Gerüchte beruhen auf jemandes Wunschdenken. Der Irrglaube der Roknari an die vier Götter macht jene merkwürdigen Spielarten der Liebe, über die hier zu Lande der Bastard herrscht, dort zu einem Verbrechen. Die Glaubenslehrer der Roknari behaupten, der Bastard sei ein Dämon wie sein Vater, und kein Gott wie seine heilige Mutter. Deshalb bezeichnen sie uns allesamt als Teufelsanbeter – was ich für eine schwere Beleidigung der Sommerherrin halte, und des armen Bastards selbst, der immerhin vor seiner Geburt nicht gefragt wurde. Sie foltern und hängen jeden, der sich der Sodomie hingibt, und die weniger verkommenen Kapitäne der Roknari dulden so etwas nicht an Bord ihrer

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