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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Prälat der Heiligen Familie einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, als die Zeremonie diesmal ohne spirituelle Überraschungen zu Ende ging.
    Die Stimmung wurde träger. Cazarils Schülerinnen seufzten und gähnten im beengten Studierzimmer, als die Nachmittagssonne sengend auf die Mauern des Bergfrieds brannte, und ihrem Lehrer ging es nicht viel besser. Eines heißen Tages schließlich gab Cazaril unvermittelt auf und sagte für den Sommer sämtliche Unterrichtsstunden nach dem Mittagsimbiss ab.
    Wie Betriz bereits angekündigt hatte, schien es Königin Ista besser zu gehen, als die Tage länger und wärmer wurden. Sie nahm häufiger an den Mahlzeiten der Familie teil, und an fast jedem Nachmittag saß sie mit ihren Kammerfrauen im Schatten der knorrigen Obstbäume am Ende des Blumengartens der Herzogin. Doch niemals erlaubten es ihre Aufpasserinnen, dass sie zu den luftigen, Schwindel erregenden Plätzen auf den Zinnen emporstieg, an denen Iselle und Betriz so gern Zuflucht suchten – sowohl vor der Hitze wie auch vor der Missbilligung verschiedener ältlicher Personen, die dem Treppensteigen weniger zugeneigt waren.
    Eines Tages wagte Cazaril sich vorsichtig in den Garten. Es war schwül und heiß, und in der Nacht zuvor hatte es ungewöhnlich heftig geregnet. Die stickige Luft hatte ihn aus seiner Kammer getrieben, und er suchte ein bequemeres Plätzchen. In der spärlich ausgestatteten Bibliothek des Schlosses gab es nur wenige Bücher, die er noch nicht gelesen hatte. Heute trug er eines davon unter dem Arm: Ordols Der fünffache Weg der Seele: Über die wahren Wege der Quintarischen Theologie. Das war nicht eben die Lektüre seiner Leidenschaft, aber diese Seiten auf seinem Schoß ließen sein Nickerchen für zufällige Beobachter gelehrsamer erscheinen. Er trat um das Rosenspalier und verharrte, als er dahinter die Königin auf der Bank bemerkte, die sein Ziel gewesen war. Bei ihr saß eine ihrer Damen mit einem Stickrahmen. Als die Frauen aufblickten, wich Cazaril einigen verirrten Bienen aus und brachte eine Verbeugung zu Stande, als Entschuldigung für die ungewollte Störung.
    »Bleibt ruhig hier, Kastellan dy Cazaril«, murmelte Ista, als er sich zum Gehen wandte. »Wie kommt meine Tochter mit ihren Studien voran?«
    »Sehr gut, Herrin«, entgegnete Cazaril. Er drehte sich wieder zu ihr um und senkte das Haupt. »Im Rechnen und in der Geometrie beweist sie eine überaus rasche Auffassungsgabe, und in Darthacan ist sie äußerst … äh, ausdauernd.«
    »Schön«, sagte Ista. »Das ist schön.« Kurz blickte sie über den sonnengebleichten Garten hinweg.
    Ihre Begleiterin beugte sich über den Stickrahmen und verknotete einen Faden. Lady Ista stickte nicht. Cazaril hatte ein Hausmädchen flüstern hören, dass Ista und ihre Damen mehr als ein halbes Jahr lang an einem kunstvollen Altartuch für den Tempel gearbeitet hatten. Die letzten Stiche waren gerade vollendet, da hatte die Königin das Stück plötzlich ergriffen und in der Feuerstelle ihrer Kammer verbrannt, als ihre Kammerfrauen sie nur für einen Moment aus den Augen gelassen hatten. Diese Geschichte mochte wahr sein oder nicht – heute jedenfalls hielt Ista keine Nadel in den Händen, nur eine Rose.
    Cazaril suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen für ein Wiedererkennen. »Ich habe mich gefragt … Ich wollte Euch fragen, Herrin, ob Ihr Euch vielleicht noch an mich erinnert, aus der Zeit, als ich Eurem edlen Vater hier als Page diente. Das ist nun schon ein paar Jahre her, es wäre also kein Wunder, wenn Ihr mich vergessen hättet.« Er wagte ein Lächeln. »Ich hatte damals noch keinen Bart.« Er verdeckte die untere Hälfte seines Gesichts mit der Hand, um ihr eine Hilfestellung zu geben.
    Ista lächelte ihn an, kniff die Brauen zusammen und versuchte, sich an ihn zu erinnern. Doch ihre Miene verriet, dass diese Bemühungen vergebens blieben. »Es tut mir Leid. Mein verstorbener Vater hatte im Laufe der Jahre viele Pagen.«
    »In der Tat. Er war ein bedeutender Herr. Nun gut, es spielt keine Rolle.« Cazaril nahm sein Buch von einer Hand in die andere, um seine Enttäuschung zu verbergen. Sein entschuldigendes Lächeln wurde noch verlegener. Istas Unvermögen, sich an ihn zu erinnern, hatte vermutlich wenig mit ihrem derzeitigen überreizten Zustand zu tun, fürchtete Cazaril.
    Wahrscheinlicher war, dass sie ihn gar nicht erst wahrgenommen hatte – eine junge Frau voller Erwartungen, die nach vorn blickte und nach oben, nicht nach

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