Chalions Fluch
ihm inzwischen zugefallen waren, wirkte er unverändert und kaum gealtert seit jener Zeit, da Cazaril ihm zuletzt im Lager seines Bruders begegnet war. Cazaril wurde sich bewusst, dass er angesichts der berüchtigten Ausschweifungen Dondos an der Tafel, im Bett und bei jeder anderen denkbaren Gelegenheit darauf gehofft hatte, dieser wäre inzwischen zumindest so fett geworden wie Orico. Aber Dondo war nur mäßig beleibt. Das Funkeln an seinen Händen – nicht zu erwähnen an seinen Ohren, seinem Hals, seinen Armen und seinen goldenen Sporen – glich jegliche Zurückhaltung seines Bruders bei der Zurschaustellung des Familienvermögens wieder aus.
Dy Jironals Blick wanderte über Cazaril hinweg, ohne irgendein Zeichen des Wiedererkennens. Dondo jedoch kniff die schwarzen Brauen zusammen, während er in der Reihe wartete, und missbilligend musterte er Cazarils ausdruckslos höfliches Auftreten. Doch Dondos forschender Blick wurde abgelenkt, als sein Bruder einen Diener herbeiwinkte, um seine Geschenke für Prinz Teidez nach vorn zu bringen: einen silberverzierten Sattel mit dazu passendem Zaumzeug, eine hervorragende Armbrust für die Jagd, und schließlich einen Sauspieß aus Eschenholz mit einer bösartig glänzenden Spitze aus ziseliertem Stahl. Teidez’ Dank für diese Gaben kam aus vollstem Herzen.
Lord Dondo schnippte nach seiner förmlichen Vorstellung mit den Fingern, und ein Dienstbote trat mit einem kleinen Kästchen nach vorn und öffnete es. Mit einer Handbewegung, die durchaus bühnenreif war, zog Dondo eine riesige Perlenkette hervor, die er für alle sichtbar in die Höhe hielt. »Prinzessin, im Namen meines heiligen Ordens, meiner ruhmreichen Familie und meiner eigenen edlen Person heiße ich Euch in Cardegoss willkommen. Wenn Ihr erlaubt, möchte ich Euch das Doppelte Eurer eigenen Größe in Perlen überreichen.« Er schwenkte die Kette, die in der Tat ebenso lang war wie die überraschte Iselle. »Und ich möchte den Göttern danken, dass Ihr nicht höher gewachsen seid, edle Herrin, sonst wäre ich jetzt ein armer Mann!« Ein Kichern durchlief bei diesem Scherz die Reihen der Höflinge. Dondo bedachte die Prinzessin mit einem gewinnenden Lächeln und flüsterte: »Wenn Ihr gestattet …« Ohne die Antwort abzuwarten, neigte er sich nach vorn und führte die Perlenschnur über ihren Kopf. Sie zuckte ein wenig zusammen, als seine Hand ihre Wange berührte; dann aber fuhr sie mit den Fingern über die schimmernden Kugeln, erwiderte sein Lächeln und stammelte freundliche Dankesworte.
Dondo verbeugte sich – zu tief, dachte Cazaril griesgrämig. Seiner Ansicht nach schwang ein Anflug von verborgenem Spott in dieser Geste mit. Erst jetzt nahm Dondo sich einen Augenblick Zeit und flüsterte seinem Bruder etwas ins Ohr. Cazaril konnte die leisen Worte nicht verstehen, vermeinte aber zu sehen, wie Dondos bärtige Lippen das Wort Gotorget bildeten. Dy Jironal musterte Cazaril daraufhin erstaunt und durchdringend zugleich; dann mussten die beiden Brüder dem nächsten adligen Herrn in der Reihe Platz machen.
Eine geradezu erschreckende Menge an kostbaren oder geistvollen Willkommensgeschenken wurden dem Prinzen und der Prinzessin aufgedrängt. Cazaril musste sich Iselles Anteil annehmen, und mit Betriz’ Hilfe vermerkte er in ausführlichen Anmerkungen auch den jeweiligen Schenker, um diese Angaben später der Bestandsliste des Haushalts zuzufügen. Höflinge umschwärmten die beiden jungen Leute – so aufdringlich wie Fliegen verschütteten Honig, dachte Cazaril trocken. Teidez war begeistert, beinahe schon überdreht, während Dy Sanda ein wenig steif wirkte. Beide waren so zufrieden wie angespannt.
Iselle hielt sich mit Würde. Nur einmal wirkte sie beunruhigt, als ihr ein Gesandter der Roknari aus einem der nördlichen Fürstentümer vorgestellt wurde, ein hoch gewachsener Mann mit bronzefarbener Haut, der seine lohfarbenen Haare zu prächtigen Zöpfen geflochten trug. Seine erlesen bestickten Leinenroben umwallten ihn wie Banner, als er sich elegant verneigte. Iselle knickste, beherrscht und höflich, doch ohne Herzlichkeit, und dankte dem Mann für einen hübschen Gürtel aus geschnitzter Koralle, Jade und goldenen Verbindungsstücken.
Die Geschenke für Teidez waren abwechslungsreicher, obwohl Waffen deutlich in der Mehrzahl waren. Iselle erhielt bevorzugt Schmuck, doch es waren auch nicht weniger als drei wundervolle Spieluhren darunter. Sämtliche Gaben, die sie nicht sofort anlegte,
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