Chalions Fluch
Namen zu nennen. Es war zu spät, sich einen neuen zuzulegen – leider. Aber zumindest konnte er noch eine kleine Weile länger unerkannt bleiben, so schien es, denn Orico wirkte zufrieden. Er nickte und entließ ihn mit einem Winken. »Ihr werdet beim Bankett zugegen sein. Richtet meiner liebreizenden Schwester aus, dass ich mich auf unsere Begegnung freue.«
Cazaril verneigte sich gehorsam und zog sich zurück.
Besorgt kaute er auf der Unterlippe, während er wieder zum Eingang des Zangres ging. Wenn der ganze Hof an diesem Abend am Willkommensbankett teilnahm, würde auch der Kanzler nicht fehlen, Graf dy Jironal, Oricos führender Berater und Helfer. Und wohin der Graf ging, hielt sich für gewöhnlich sein Bruder Lord Dondo an seiner Seite.
Vielleicht werden sie sich ebenfalls nicht mehr an mich erinnern: Der Fall – der schändliche Verkauf – von Gotorget lag nun schon über zwei Jahre zurück. Und noch viel mehr Zeit war vergangen seit dem unangenehmen Zwischenfall im Zelt von Fürst Olus. Cazarils Existenz konnte für diese beiden mächtigen Herrn nie mehr gewesen sein als ein unbedeutendes Ärgernis. Sie konnten nicht wissen, dass er seinen Verkauf auf die Galeeren als bewussten Verrat erkannt hatte und nicht für einen unglücklichen Zufall hielt. Wenn er nichts unternahm, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, würde nichts sie an ihr Versäumnis erinnern, und er wäre in Sicherheit.
Eine törichte Hoffnung.
Cazaril zog die Schultern hoch und schritt schneller aus.
Als Cazaril zurück in sein Gemach kam, betastete er sehnsüchtig sein unauffälliges braunes Wollgewand und seinen schwarzen Überwurf. Ein atemloses Dienstmädchen hatte Anweisungen aus dem oberen Stock überbracht, und gehorsam legte er viel farbenfrohere Kleidung an: Ein blassblaues Hemd mit einem Übergewand aus türkisfarbenem Brokat, dazu eine dunkelblaue Hose. Die Sachen stammten aus dem Nachlass des alten Herzogs und rochen immer noch schwach nach den Gewürzen, mit denen sie zum Schutz gegen Motten ausgelegt gewesen waren. Stiefel und Schwert vollendeten den höfischen Aufputz, dem es nur noch am üblichen Reichtum in Form von Ringen und Ketten fehlte.
Auf Teidez’ dringendes Geheiß stapfte Cazaril die Treppen hinauf und vergewisserte sich, dass seine Damen bereit waren. Dort musste er feststellen, dass er Teil eines Ensembles war. Iselle hatte ihre besten und vorzüglichsten blau-weißen Gewänder und A bendkleider angelegt; Betriz und die Kammerfrau trugen abgestufte Kleidung in jeweils türkisfarbenen und dunkelblauen Tönen. Jemand in der Gruppe hatte sich für Zurückhaltung entschieden, und Iselle war mit Edelsteinen geschmückt, die einer Jungfrau anstanden: Brillantohrringe, die kaum mehr als gleißende kleine Funken waren, eine Brosche am Dekolletee, einen emaillierten Gürtel und nur zwei Ringe. Betriz stellte einen Ausschnitt des übrigen Schmuckbestands der Prinzessin zur Schau, den sie leihweise erhalten hatte. Cazarils Haltung straffte sich, und er verdrängte sein Unbehagen über die Pracht seiner eigenen Ausstattung. Er war fest entschlossen, seinen Teil zu Iselles Auftritt beizutragen.
Ein wenig Zeit war noch für kleine Veränderungen an der Kleiderwahl oder im Arrangement erforderlich, und für den Austausch von Schmuck. Aber nach nur sieben oder acht derartigen Verzögerungen im letzten Augenblick konnte Cazaril schließlich alle seine Begleiter eine Etage tiefer führen, wo bereits Teidez und sein kleines Gefolge warteten. Zu diesen Persönlichkeiten, die im Haushalt des Prinzen einen gewissen Rang bekleideten, gehörte natürlich dy Sanda; hinzu kam der Hauptmann aus Baocia, der ihre Wachmannschaft während der Reise angeführt hatte, sowie dessen erster Sergeant. Die beiden Soldaten trugen ihre besten Uniformen und Schwerter mit edelsteinbesetzten Griffen. Raschelnd und klirrend folgten sie dem königlichen Pagen, der ausgesandt worden war, sie zu Oricos Thronsaal zu geleiten.
Im Vorraum hielten sie kurz inne und nahmen den geflüsterten Anweisungen des Majordomus entsprechend in der geziemenden Reihenfolge Aufstellung. Dann schwangen die Türflügel weit auf. Gedämpfte Hornstöße erklangen, und mit schallender Stimme verkündete der Majordomus: »Der Prinz Teidez dy Chalion! Die Prinzessin Iselle dy Chalion! Ser dy Sanda …«, und so ging es weiter durch die Reihen, strikt nach der Rangfolge, bis hin zu: „… Lady Betriz dy Ferrej, Kastellan Lupe dy Cazaril, Sera Nan dy Vrit!«
Betriz
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